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Die neue Wesentlichkeitskonzeption zur Taxonomie-Verordnung

Die neue Wesentlichkeitskonzeption zur Taxonomie-Verordnung

Die Taxonomie-Verordnung verfolgt das Ziel, Kapitalströme und Investitionen gezielt in ökologisch nachhaltige Aktivitäten und Projekte umzulenken. Voraussetzung dafür ist ein klar definiertes und einheitliches Verständnis darüber, welche Unternehmensaktivitäten tatsächlich als ökologisch nachhaltig gelten. Dazu stellt die Taxonomie-Verordnung ein kriterienbasiertes System bereit, das eine präzise Klassifizierung ökologisch nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten ermöglichen soll.

Von Prof. Dr. Christian Fink und Prof. Dr. Dr. Alexander Moutchnik

Zweistufiger Ansatz zur Beurteilung ökologischer Nachhaltigkeit

Die Taxonomie-Verordnung definiert grundlegende Kriterien, anhand derer Wirtschaftsaktivitäten eines Unternehmens als ökologisch nachhaltig oder „grün“ eingestuft werden können. Diese Einstufung erfolgt in einem zweistufigen Verfahren. Zunächst wird überprüft, ob eine Aktivität grundsätzlich geeignet ist, einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der EU-Umweltziele zu leisten. Falls dies zutrifft, gilt die Aktivität als taxonomiefähig – also potenziell ökologisch nachhaltig. Im zweiten Schritt wird untersucht, ob diese taxonomiefähige Aktivität tatsächlich ökologisch nachhaltig durchgeführt wird. Nur dann gilt sie als taxonomiekonform.

Ursprüngliche Regulatorik ohne Wesentlichkeitsgrundsatz

Die EU-Kommission hatte bei der Einführung der Taxonomie-Verordnung zunächst kein Wesentlichkeitsprinzip implementiert. Dies hatte zur Folge, dass sämtliche Aktivitäten eines Unternehmens – unabhängig von ihrer Bedeutung – auf ihre Taxonomiefähigkeit und gegebenenfalls auf ihre Taxonomiekonformität hin zu überprüfen und zu dokumentieren waren. Dies stellte insbesondere diversifizierte Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen, da diese oft eine Vielzahl von Aktivitäten durchführen, von denen ein großer Teil – bezogen auf die relevanten Taxonomiekennzahlen Umsatz, Investitionsausgaben (CapEx) und Betriebsausgaben (OpEx) – nur geringe Bedeutung hat.

Omnibus-Initiative als Ausgangspunkt der Neuorientierung

Im Rahmen der Omnibus-Initiative der EU-Kommission vom 26.02.2025 wurden gezielte Maßnahmen zur Entbürokratisierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgeschlagen. Diese Maßnahmen umfassen Änderungen im zeitlichen und persönlichen Anwendungsbereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie spezifische inhaltliche Anpassungen an Rechtsakten, insbesondere zur Taxonomie-Verordnung. Die Anpassungen hinsichtlich der Taxonomie-Verordnung wurden schließlich am 04.07.2025 durch eine neue delegierte Verordnung verabschiedet.

Der Wesentlichkeitsgrundsatz als Kernelement der Vereinfachung

Mit der neuen delegierten Verordnung entfällt zukünftig für unwesentliche Aktivitäten von Unternehmen der Realwirtschaft die Pflicht zur Prüfung der Taxonomiefähigkeit und -konformität. Aktivitäten gelten dabei als unwesentlich, wenn sie kumuliert weniger als 10 % des gesamten Umsatzes, CapEx oder OpEx des Unternehmens ausmachen. Ist für mindestens eine dieser Kennzahlen die Unwesentlichkeit bestätigt, kann die Berichterstattung zu den entsprechenden Kennzahlen für die unwesentlichen Aktivitäten entfallen. Speziell für die OpEx-Kennzahl gilt eine weitere Vereinfachung: Falls OpEx für das Geschäftsmodell eines Unternehmens insgesamt unwesentlich ist, entfällt die Berichtspflicht vollständig. Unternehmen, die diese Erleichterungen nutzen, sind allerdings verpflichtet, bestimmte ergänzende Angaben zu den unwesentlichen Aktivitäten zu machen. Ähnliche Erleichterungen gelten ebenso für Finanzunternehmen.

Zusammenhang von Wesentlichkeit und Business Relevance

Die EU-Kommission begründet die Einführung des Wesentlichkeitsgrundsatzes vor allem mit den damit verbundenen Vereinfachungen und Kosteneinsparungen. Darüber hinaus erhöht ein gezielt implementiertes Wesentlichkeitsverständnis regelmäßig die Aussagekraft der Nachhaltigkeitsberichterstattung, indem es den Fokus auf jene Unternehmensaktivitäten lenkt, die entscheidend für die tatsächliche Nachhaltigkeitsleistung des Unternehmens sind.


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Prof. Dr. Christian Fink

ist Professor für externes Rechnungswesen, Controlling und Nachhaltigkeitsberichterstattung an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden sowie Mitglied des Fachausschusses Nachhaltigkeitsberichterstattung des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee e.V.


 

Prof. Dr. Dr. Alexander Moutchnik

ist Professor für Medienwirtschaft und Medienökonomie an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden