Vom Zahlenwerk zur Stimme des Marktes: Die neue Rolle des CFO
CFOs sind längst mehr als Zahlenverwalter, sie prägen massgeblich die Kapitalmarktkommunikation. Eine Studie der Universität Leipzig zeigt, welche Themen sie besetzen – und welche Impulse für Kommunikation und Investor Relations entscheidend sind.
Von Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann und Dr. Sandra Binder-Tietz
Einleitung
Für Investor-Relations- und Kommunikationsverantwortliche hat sich das Spielfeld verändert: CFOs treten heute nicht mehr nur als nüchterne Berichterstatter auf, sondern als gleichwertige Kommunikatoren neben dem CEO. Ihre Rolle im Dialog mit Investoren, Analysten und Finanzmedien wächst – und verlangt nach strategischer Steuerung.
Zentrale Befunde der Studie
Eine Studie des Center for Research in Financial Communication an der Universität Leipzig liefert erstmals ein umfassendes Bild davon, wie CEOs und CFOs in die Kapitalmarktkommunikation eingebunden sind. Grundlage der Analyse war ein Methodenmix aus Experteninterviews mit Kommunikationsverantwortlichen grosser DAX-Konzerne, eine breit angelegte Befragung von über 100 IR- und Kommunikationsprofis in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie einer Inhaltsanalyse von Websites und Medienberichten zu CFOs.
Die Ergebnisse zeigen: CFOs sind in der Finanzöffentlichkeit heute fast ebenso sichtbar wie CEOs. Während der Vorstandsvorsitzende traditionell das Gesicht des Unternehmens nach aussen war, ist der Finanzvorstand inzwischen für Investoren und Analysten ein ebenso zentraler Ansprechpartner. Sichtbarkeit allein sagt jedoch wenig über die inhaltliche Arbeitsteilung. Hier treten Unterschiede zutage. Übergeordnete Themen wie gesellschaftspolitische Fragen, Branchentrends oder Digitalisierung werden überwiegend vom CEO adressiert. Der CFO hingegen übernimmt die sogenannte Regelkommunikation – etwa zu aktuellen Kennzahlen oder finanziellen Entwicklungen. Wenn es um strategische Felder wie Nachhaltigkeit, Transaktionen oder Compliance geht, treten beide Vorstände ähnlich häufig in Erscheinung. Damit ist der CFO heute deutlich mehr als ein Zahlenerklärer, er vermittelt aktiv strategische Themen.
In den Formaten spiegelt sich eine Aufgabenteilung wider: Der CEO ist deutlich stärker in der Medien- und Pressearbeit präsent – durch Interviews, Gastbeiträge oder öffentliche Auftritte. Der CFO dagegen sucht den direkten Austausch mit der Financial Community: Analysten-Calls, Roadshows, One-on-ones oder Capital Market Days prägen sein Kommunikationsprofil. Damit entwickelt er sich zunehmend zum Gesicht des Unternehmens gegenüber Investoren und Analysten. Frühere Studien zeigen, dass die Financial Community den direkten Kontakt zum CEO und CFO suchen. Eindrücke von der Person fliessen in die Bewertung des Unternehmens ein.
Auffällig ist zugleich, dass die Aufgabenverteilung zwischen CEO und CFO in den meisten Unternehmen nicht offiziell geregelt ist. Nur eine Minderheit verfügt über formell definierte Positionierungsstrategien für CEO und CFO. Oft entstehen Rollen und Schwerpunkte eher informell oder anlassbezogen. Auch die Evaluation bleibt fragmentarisch: Meist wird sie nur zu bestimmten Anlässen durchgeführt, etwa nach Quartalszahlen, und orientiert sich vor allem an qualitativen Rückmeldungen der Financial Community oder an der Resonanz in den Finanzmedien.
Schliesslich zeigt die Studie der Universität Leipzig auch deutliche Unterschiede in der organisatorischen Verankerung: Während die Positionierung des CEOs klar in der Verantwortung der Corporate Communications liegt, hat Investor Relations grösseren Einfluss auf die Positionierung des CFO. Diese Trennung erklärt teilweise, warum der Finanzvorstand bislang weniger strategisch positioniert wird als der CEO – obwohl er längst eine Schlüsselrolle in der Wahrnehmung der Finanzmärkte spielt.
Implikationen für Kommunikation und Investor Relations
CFO als strategischen Kommunikator coachen
Viele CFOs haben ihre Rolle als öffentliche Stimme noch nicht voll angenommen. Ein gezieltes Coaching durch IR und CC kann helfen, das kommunikative Profil zu schärfen und Auftritte professionell vorzubereiten.
Klare Themen- und Aufgabenprofile entwickeln
Damit CEO und CFO nicht in Konkurrenz zueinander treten, sollten Verantwortlichkeiten klar definiert werden. CFO: Fakten, Zahlen, finanzielle Dimensionen strategischer Entscheidungen. CEO: langfristige Trends und gesellschaftliche Einordnung. Beide: komplexe Themen mit hoher Kapitalmarktrelevanz.
Positionierungsstrategien formalisieren
Ad-hoc-Reaktionen reichen nicht. Unternehmen sollten für den CFO – genauso wie für den CEO – eine explizite Positionierungsstrategie entwickeln. Diese sollte auf Kompetenzprofil, Erfahrungen und Unternehmenszielen basieren und regelmässig überprüft werden.
Kommunikationsmanagement professionalisieren
Ein formales Kommunikationsmanagement erleichtert Zieldefinition, Abstimmung und Evaluation. So wird sichtbar, welchen Beitrag Kommunikation und IR zum Unternehmenserfolg leisten – auch im Dialog mit dem Vorstand.
Digitale Kanäle nutzen
Eigene Kanäle wie LinkedIn oder Corporate Websites bieten CFOs zusätzliche Möglichkeiten, Themen zu setzen und ihre Expertise auch jenseits der Pflichtkommunikation zu zeigen.
Fazit
CFOs sind heute zentrale Akteure der Kapitalmarktkommunikation. Wer sie lediglich als „Herrn der Zahlen“ betrachtet, verschenkt Potenzial. Kommunikation und Investor Relations sollten CFOs aktiv als strategische Kommunikatoren positionieren – mit klaren Rollen, abgestimmten Themen und einem professionellen Management. So entsteht ein stimmiges Tandem mit dem CEO, das das Vertrauen der Finanzmärkte stärkt und die Reputation des Unternehmens nachhaltig prägt.
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
ist Professor für Kommunikationsmanagement an der Universität Leipzig und akademischer Leiter beim Center for Research in Financial Communication.
Dr. Sandra Binder-Tietz
ist Geschäftsleiterin des Center for Research in Financial Communication und der Günter-Thiele-Stiftung für Kommunikation und Management.