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Digitalisierte Finanzkommunikation

Ein Rückblick auf das Symposium für Wirtschafts- und Finanzkommunikation der FH St. Pölten

Finanzkommunikation ist mehr als Kommunikation von Finanzdaten. Darüber herrscht innerhalb der Financial und der Scientific Community ein breiter Konsens. Und dies bringt nicht zuletzt auch die CSR-Richtlinie 2014/95/EU (auch NFI-Richtlinie) zum Ausdruck, welche ab 2017 Unternehmen zum Non Financial Reporting verpflichtet. Aber auch unabhängig von theoretisch-definitorischen Abgrenzungen und rechtlichen Entwicklungen wissen wir: Finanzkommunikation geht in ihrer Wirkung weit über die Finanzwelt hinaus und sie wird immer stärker digital – und damit immer stärker inter- und transdisziplinär. Spätestens jetzt gilt es, digitale Technologien und Methoden als einen integralen Bestandteil der Finanzkommunikation zu begreifen, denn so gut wie in allen Bereichen der Finanzkommunikation – von Investor Relations über Financial Reporting und Controlling bis zum Finanzjournalismus – schreitet die Digitalisierung zwar mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, jedoch unaufhaltsam voran. Dabei hinkt die Praxis den technologischen Möglichkeiten oft hinterher und es zeigt sich, dass die Durchsetzung digitaler Kommunikationsmethoden und -instrumente von vielen anderen Faktoren abhängt, die in rechtlichen, politischen oder kulturellen Sphären zu suchen sind.
 

Was bedeutet Digitalisierung in der Finanzkommunikation?

Digitalisierung führt im Finanzbereich nicht nur zu einem exponentiellen Anstieg der Datenmengen, aus denen augenscheinlich immer mehr Informationen gewonnen werden können, sie verändert auch die Art der Verarbeitung und Prozessierung von Finanz- und Geschäftsdaten. Auf der anderen Seite verändern sich durch Digitalisierung auch die Informations- und Kommunikationsmuster der jeweiligen Zielgruppen von Finanz- und Geschäftsdaten. Um diese zu erreichen, muss darauf mit zeitgemässen und zielgruppengerechten Formaten geantwortet werden. Zusammengefasst bedeutet Digitalisierung für die Finanzkommunikation, dass bei einem gleichzeitigen Anstieg der Komplexität und Geschwindigkeit neue Technologien eine höhere Effizienz und Effektivität der Datenverarbeitung und -vermittlung ermöglichen – die Kenntnis und Anwendung der technologischen Möglichkeiten vorausgesetzt.  

Das Symposium für Wirtschafts- und Finanzkommunikation der FH St. Pölten, das am 26. April 2018 in Kooperation mit der Wiener Börse und C.I.R.A. zum 4. Mal ausgetragen wurde, wollte vor diesem Hintergrund die Einsatzmöglichkeiten von Big Data, Algorithmen und Robotics in der Finanzkommunikation beleuchten. Einerseits sollte das Symposium aufzeigen, wie digitale Technologien zu einer besseren Informationsversorgung in der Finanzwelt genützt werden können, gleichzeitig aber auch hinterfragen, welche Auswirkungen der Einsatz digitaler Technologien haben könnte und welche Herausforderungen für die Kommunikation aus der Digitalisierung erwachsen.
 

Digitale Formate in Investor Relations

Digitale Technologien haben insbesondere den Vorteil, dass sie zeit- und ortsunabhängige Kommunikation ermöglichen, den Informationsweg verkürzen und dadurch signifikant beschleunigen. Damit eignen sich digitale Technologien gerade in der Kommunikation für – vielfach internationale – institutionelle und privaten Investoren, Finanzanalysten und -journalisten sowie andere Intermediäre innerhalb der Financial Community. Damit sind nicht nur IR-Websites und digital verfügbare Geschäftsberichte gemeint, welche in den meisten Unternehmen – obzwar in unterschiedlicher Qualität – zum Standard gehören (Kovarova-Simecek, 2017), sondern auch der Einsatz von Podcasts, Webcasts und virtuellen Events wie z.B. der Online-Hauptversammlung. Knut Wichering von EQS Hamburg hat in seinem Vortrag gezeigt, dass gerade beim Einsatz von audio-visuellen Instrumenten noch Optimierungsbedarf besteht. Von den 80 DAX- und MDAX-Emittenten nutzen nur rund 75% Audio Webcasts, im Prime Market der Wiener Börse sind es lediglich 30%. Bei Video Webcasts sind es nur mehr knapp 20% im DAX/MDAX bzw. 8% im Prime Market der Wiener Börse (Stand März 2018). Vor dem Hintergrund der sich wandelnden Informations- und Kommunikationsmuster und der beobachtbar steigenden Nutzung audiovisueller Formate sollte dieser Befund als Weckruf verstanden werden.

Investor ist nicht gleich Investor! Monika Kovarova-Simecek und Tatjana Aubram haben in ihrer Studie zu Financial Literacy, Information Behaviour and Interest in Financial News gezeigt: Privatanleger sind in ihrem Informationsverhalten und in Bezug auf ihr Finanzwissen höchst unterschiedlich. Wenn Unternehmen ihre Investoren erreichen wollen, müssen sie diese gut kennen. Big Data, Machine Learning, Crowd Intelligence und der Einsatz von Artificial Intelligence (AI) machen es möglich, Investoren zu erkennen und gezielt anzusprechen. Christoph Schrills von sentifi hat in diesem Zusammenhang das Potenzial der Nutzung von Alternative Data hervorgehoben.  Investitionsentscheidungen basieren heute vor allem auf strukturierten Daten. Dazu gehören die traditionellen Informationsquellen der Kapitalmärkte wie Bloomberg, Reuters, WSJ und vergleichbare Medien. Diese strukturierten Daten machen aber laut Schrills nur 10% aller potenziell relevanten Daten aus. Neue Technologien zielen darauf ab, die restlichen 90% zu erschliessen. Bei aller Euphorie müssen wir aber zur Kenntnis nehmen, dass auch hier nur vergangenheitsorientierte Daten verarbeitet werden und eindeutige Prognosen – zumindest aus heutiger Sicht – nur schwer zu treffen sind, vor allem auch, weil sie zukünftige Rahmenbedingungen nicht mit einbeziehen können. Trotzdem lassen sich in Kombination mit aktuellen Rahmenbedingungen, die durch Crowd-Intelligence-Systeme identifiziert werden, qualitativ hochwertigere Vorhersagen treffen lassen als ohne den Einsatz von Machine Learning.
 

Digital Financial Reporting

Zielgruppenorientierung, Einsatz neuer Formate und Technologien gehen mit zusätzlichem Aufwand einher. Bei ohnehin knappen Ressourcen in der IR wird es beim Schaffen von Differenzierungsmerkmalen entscheidend sein, ob es IR-Abteilungen schaffen, überwiegend   repetitive Tätigkeiten wie klassische Finanzberichterstattung zu standardisieren und zu automatisieren. In ihrem Beitrag haben Monika Kovarova-Simecek und Tassilo Pellegrini mit der eXtended Business Reporting Language (XBRL) eine Möglichkeit aufgezeigt, wie bei zunehmender Zielgruppenheterogenität und Formatvielfalt mit adäquaten technologischen Mitteln die Effizienz in der IR-Arbeit verbessert werden kann und wo XBRL bereits als Standard eingesetzt wird. Siehe dazu auch Beitrag in CCR Insight News von 12/2017.
 

Robot Journalism

Vor ähnlichen Herausforderungen stehen bekanntermassen auch Nachrichtenagenturen und Redaktionen. Das Erfordernis der Ressourcenoptimierung veranlasste diese seit ungefähr 2014 zum Einsatz von Algorithmen in der Content-Produktion. Tendenz steigend. Alexander Fanta hat den Einsatz von Algorithmen in europäischen Nachrichtenagenturen untersucht und festgestellt, dass heute mindestens neun Nachrichtenagenturen eine Form der automatisierten Texterstellung nutzen, vorwiegend in der Finanz- und Sportberichterstattung. Die Technologie ist simpel – und nicht neu: Von Journalisten vorgefertigte Texte werden von Algorithmen mit Daten befüllt. Das erinnert – völlig berechtigt – an den klassischen Serienbrief der 1990er Jahre. Der Grund, warum sich der Einsatz von Algorithmen im Finanzjournalismus erst 25 Jahre später durchsetzte, ist gleichzeitig seine Achillessehne – das Erfordernis strukturierter Daten, welche erst durch die Digitalisierung generiert werden konnten. Abschliessend muss in diesem Kontext festgehalten werden: Der Einsatz von „Roboterjournalisten“ erhöht die Schnelligkeit, menschliche Journalisten zu ersetzen wird dadurch vermutlich kaum möglich sein.
 

Digitalisierung und Social Trading

Nicht zuletzt generiert die Digitalisierung auch neue Formen des Informations- und Investitionsverhaltens: Social Trading. Die Idee dahinter ist eine möglichst rentable Veranlagung durch kollektive Intelligenz. Dabei legen Trader – meist Privatpersonen, die sich intensiv mit dem Finanzmarkt beschäftigen und eine entsprechende Expertise aufweisen – ihre  Investitionsentscheidung offen. Privatanleger können davon profitieren, indem sie die Investmententscheidungen der Trader nachahmen oder direkt in das Trader-Portfolio, in Form eines Indexes, investieren. Nicolaos Nikoltsios hat Social Trading am Beispiel von wikifolio demonstriert und Erwin Hof von der Wiener Börse dazu erläutert, was Privatanleger dazu bewegt, Social Traders zu folgen.
 

Fazit

Das Problem im Zeitalter der Digitalisierung ist nicht der Zugang oder die Verfügbarkeit von Daten, sondern die Nutzung der Aus- und Verwertungspotenziale, die zielgruppengerechte Kommunikation und die einfache, aber nicht verzerrende Darstellung komplexer Themen. Die immer grösser werdende Datenflut verlangt von der Bevölkerung darüber hinaus zwischen validen und nicht validen, relevanten und nicht relevanten Informationen unterscheiden zu können. Dafür braucht es einen kritischen Zugang, welcher durch bessere Bildung – auch Finanzbildung – gefördert werden kann.

Weiterführende Informationen zum Symposium sowie alle Vorträge und Poster finden Sie hier.


 

Über die Autorin

 

Prof. (FH) Mag. Monika Kovarova-Simecek ist Dozentin am Department Medien & Wirtschaft der FH St. Pölten, wo sie das Entwicklungsteam des Masterstudiengangs Wirtschafts- und Finanzkommunikation und die Forschungsgruppe Financial Communications leitet. Sie ist Initiatorin des Symposiums Wirtschafts- und Finanzkommunikation. Zuvor war sie Finance Director bei Ketchum Publico und hat als fachliche Redaktorin das Fachmagazin CFOaktuell mitgeprägt.