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Data Reporting – What is the value of reports in a data-driven future?

Ein Denkanstoss von Monika Kovarova-Simecek anlässlich des 6. Symposiums für Wirtschafts- und Finanzkommunikation der FH St. Pölten

Seit dem Jahr 2015 tauschen sich beim Symposium Financial Communications alljährlich Expertinnen und Experten aus Praxis, Forschung sowie Universitäts- und Hochschullehre zu aktuellen und künftigen Entwicklungen in der Finanzkommunikation, Investor Relations und Corporate Reporting aus. Es ist ein Ort der Begegnung, Vernetzung und definitiv einer, an dem die Verantwortlichen der Branche neue Insights und Inspiration für ihre Arbeit gewinnen. Am 10. Juni 2021 fand das Symposium Financial Communications nach einem Jahr pandemiebedingter Pause zum 6. Mal (und zum ersten Mal virtuell) statt.

„Wir müssen begreifen, dass wir im digitalen Zeitalter nicht nur an Menschen, sondern auch an Maschinen berichten. Nur wer diese Logik verstanden hat, kann darauf auch reagieren.“

Digitalisierung dominiert ungebrochen den Diskurs

Ganz im Zeichen der Zeit prägte auch 2021 die Digitalisierung das Event. Ein Thema, das Corporate Reporting nach wie vor stark bewegt, aber auch herausfordernd. Wie in jeder Transformationsphase, sind die Fragen, in welche Richtung die Digitalisierung Corporate Reporting treibt, welche Art von Reports sie befördert oder wie sie langfristig unser Rezeptionsverhalten beeinflusst, noch nicht ausdiskutiert.

Die Digitalisierung verändert das Reporting auf vielen Ebenen – oder zumindest hätte sie das Potenzial, das zu tun, denn in der Gesamtbetrachtung stehen wir eher am Beginn des Wandels als mitten drinnen. Die Implementierung der Digitalisierung kommt ein wenig einem Tauziehen gleich. Die relevanten Publika bedienen sich mittlerweile überwiegend digitaler Medien. Die IR-Website ist längst zur ersten Anlaufstelle für Investorinnen und Investoren, aber auch alle anderen Stakeholder geworden. Digitale Medien erfordern wiederum zeitgemässer Formate. Die Regulatorik drängt (seit längerem und länderspezifisch in unterschiedlicher Intensität) auf die Implementierung digitaler Berichtsformate (Stichwort XBRL). Auf diese Dynamik müssen Unternehmen adäquate Antworten liefern.

Diese Antworten kommen grösstenteils aber nur zögerlich. Wir müssen uns eingestehen, dass der Weg zu einem wirklich digitalen, d. h. maschinenlesbaren und gemäss der digitalen Logik verwertbaren Report (idealerweise Online-Report) noch ein langer ist. Tatsächlich sind wir im Zuge der digitalen Transformation in der PDF-Starre hängengeblieben.

Der Corporate Reporting Monitor 2020, der die Berichtspraxis börsennotierter Unternehmen im DACH-Raum abbildet und von Christian Hoffmann (Center for Research in Financial Communication der Universität Leipzig) und Thomas Scheinwiller (CCR Zürich) eingangs des Symposiums präsentiert wurde, zeigt, dass die „PDF-first“-Strategie in der Berichtserstellung nach wie vor von den meisten Unternehmen bevorzugt wird, und offenbart damit viel Entwicklungspotential. Auch die unternehmensindividuelle Nutzung von XBRL-Reports über die gesetzlichen Anforderungen hinaus wurde 2020 eher pessimistisch gesehen. Dabei stellt die XBRL-Technologie einen zentralen Faktor bei der Beförderung der Digitalisierung in der Finanzberichterstattung dar.

Daten sind der Dreh- und Angelpunkt

Was wir nämlich nicht vergessen dürfen, ist, dass die Digitalisierung ein datenbasiertes Phänomen ist. Während in dem laufenden Diskurs vordergründig relevante digitale Medien und Publikationsformate besprochen werden, bleibt die Frage nach dem dafür erforderlichen Input unterbeleuchtet. Darauf sollten wir aber künftig – in der Diskussion und in der Praxis – den Fokus lenken, denn ohne Daten ist Digitalisierung nicht denk- und machbar.

An diesem zentralen Inputfaktor drohen Digitalisierungsprojekte zu scheitern, z. B. wenn Finanz- und Geschäftsdaten nicht in einer für digitale Berichterstattung adäquaten (strukturierten und maschinenlesbaren) Form vorliegen. Daran erinnert nicht zuletzt die XBRL-Initiative, bei der genau darum geht: Finanzdaten – und künftig vermutlich noch mehr – als strukturierte Daten verfügbar zu machen.

Insofern sollten wir nicht nur vom Digital Reporting, sondern – um sich der Kernproblematik bewusst zu werden – (auch) von Data Reporting sprechen. Beim 6. Symposium für Financial Communications taten wir dies ganz bewusst und stellten uns die Frage, wie datengetriebenes Reporting die Zukunft des Reportings verändern wird.

Data Reporting – What is the value of reports in a data-driven future?

Welchen Wert werden Geschäftsberichte künftig haben, wenn Unternehmen – unterschiedliche Taxonomien bedienend – alle Informationen in Form von maschinenlesbaren Daten verfügbar haben werden? Werden Daten das Reporting nicht nur als Input-, sondern auch als Output-Format dominieren? Werden Unternehmen vordergründig oder gar ausschliesslich nur mehr Daten an die Zielgruppen übermitteln, während die Zielgruppen mithilfe individueller, für ihre Bedürfnisse programmierter Viewer die Daten sichten und für ihre Zwecke passend aufbereiten? Etwas, was wir durchaus schon vor dem verpflichtenden Wechsel von XBRL auf iXBRL im Jahr 2020 unter Finanzanalysten in den USA beobachten konnten. Oder ist der Mensch (noch) nicht auf Daten geeicht? Brauchen wir – Daten und Digitalisierung hin oder her – die Story, die schöne Graphik, schlicht den Bericht als Gesamt(kunst)werk?

Diesen Fragen sind wir in insgesamt fünf Fachvorträgen mit renommierten Expertinnen und Experten der Financial Community und der Visualisierungsvernissage der Studierenden des Master Studiengangs Wirtschafts- und Finanzkommunikation nachgegangen. Der gut besuchte virtuelle Raum war uns erneut ein Beweis dafür, dass Digitalisierung bewegt. Aber auch, dass Digitalisierung zu einer Schneide zu werden droht (wenn sie es nicht schon geworden ist), die Unternehmen klar in Vorreiter und Nachzügler teilt und eine Chance, wie auch eine Bedrohung darstellt. Um Letzteres zu vermeiden möchte ich Ihnen einen in der Scientific Community oft zitierten Spruch nahelegen: Publish or perish, aber digital!

Eine zentrale Kompetenz, die Unternehmen entwickeln müssen, ist die Fähigkeit zu verstehen, wie die Adressaten der Unternehmensberichterstattung in einer digitalen Umgebung Informationen lesen und verarbeiten. Dabei sind mit Adressaten längst nicht nur Menschen, sondern vor allem Maschinen gemeint. Corporate Websites, Financial und Non-Financial Reports oder Sustainability Reports werden nicht nur von Bloomberg und Thomson Reuters vollautomatisiert ausgewertet und computergestützt prozessiert, sondern auch von Analysten und Rating-Agenturen. Eine Konsequenz davon ist, dass das Rating eines Unternehmens in einer daten- und algorithmusbasierten Logik davon abhängt, ob dieses Unternehmen genau diese Logik bedienen kann.

Digitale Denklogiken zu bedienen, bedeutet stellenweise nicht vielmehr, als in der Unternehmensberichterstattung bestimmte Begriffe gezielt und konsequent zu verwenden und andere wiederum zu vermeiden. Das klingt – und ist – in Wirklichkeit trivial, im Bewusstsein der Verantwortlichen jedoch nicht ausreichend verankert. Das führt einerseits zu potentiell schlechten Ratings trotz guter Performance, andererseits aber auch dazu, dass eine kritische Auseinandersetzung mit Algorithm Bias in Reporting-Kontexten in der Financial Community kaum geführt wird. Denn eine andere Frage ist, ob eine solche, algorithmusbasierte Berichtspraxis noch dem eigentlichen Zweck – der möglichst transparenten Darstellung der Lage eines Unternehmens – dient oder nicht. Ob wir uns damit insgesamt nutzen oder schaden.

Der digitale Zug ist in Bewegung und nicht anzuhalten. Er ist aber durchaus auch kritisch zu sehen. Dieser kritische Blick erfordert aber die Kenntnis und das Verständnis der angewandten Mechanismen. Tassilo Pellegrini’s Vortrag Reporting to Machines zielte daher darauf ab, verständlich zu machen, welche Kerntechnologien in Digital Reporting zum Einsatz kommen und unsere Zukunft prägen werden. Die Beschäftigung mit AI steht ausser Diskussion. Aber was bedeutet es konkret? Im Wesentlichen sind es drei Aspekte, die wir nicht (mehr) ignorieren können:

  • Computational Semantics: Wie können Maschinen den Inhalt und die Bedeutung von Daten verstehen und sie miteinander sinnvoll verknüpfen?

  • Machine Learning: Wie können Maschinen Daten erkennen, klassifizieren und aus ihnen weitere Erkenntnisse ableiten?

  • Blockchain: Wie können Maschinen Vertrauen in Dokumente und Prozesse herstellen?

In der Hoffnung, dass der Anspruch einer guten Corporate Governance und einer möglichst wahrheitsgemässen Darstellung der Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen nicht vernachlässigt wird, ist – nichts desto trotz – das algorithmische Denken im Kontext von Reporting in einer digitalen Welt unerlässlich. Darüber waren sich Christoph Boschan (CEO der Wiener Börse), Harald Hagenauer (Head of Investor Relations, Konzernrevision & Compliance von Österreichische Post AG und Vorstandsvorsitzender C.I.R.A) und Susanne Roiser (Departmentleiterin Digital Business und Innovation und stellvertretende Kollegiumsleiterin der FH St. Pölten), die das 6. Symposium gemeinsam eröffneten, einig.

Manchmal zahlt es sich aus, zurückzublicken

Die Frage, wie Reports gelesen werden, ist allerdings nicht neu. Sie begleitet die Berichtspraxis seit ihren Anfängen. Bereits 1856 befasste sich das Wiener Handelsblatt, eine der renommiertesten Finanz- und Börsenzeitungen ihrer Zeit, anlässlich der Veröffentlichung der Geschäftsberichte der Staatsbahn und der Nordbahn mit der Frage, welche Art der Berichterstattung besser ist und hielt fest: „Beide Bahnverwaltungen haben die Rechnung über die Betriebs-Ergebnisse für das Jahr 1864 vorgelegt; (…) und während diese sich bloss auf eine tabellarisch-statistische Uebersicht des Betriebsabschlusses beschränkt, gibt jene ihren Aktionären durch einen sehr umfassenden Bericht ein treues Bild des Bahnbetriebes und der geschäftlichen Bewegung desselben noch vor der General-Versammlung.“

Der Blick zurück zeigt uns vor allem eines. Die Ansprüche an Berichte sind über die Jahrzehnte und Jahrhunderte konstant geblieben: Transparenz bei der Geschäftsgebarung, Verständnis des Geschäftsmodells und hohe Aktualität. Es zeigt uns aber auch, dass wir die gleichen Fragen im Lichte neuer Medien- und Kommunikationstechnologien immer wieder neu stellen und die Wege, diesen Ansprüchen gerecht zu werden, immer wieder neu denken müssen. Eines wird aber auch klar: Daten als Rezeptionsformat reich(t)en offenbar nicht.

Datenvisualisierung macht den Unterschied

Das hat in erster Linie damit zu tun, wie unser Gehirn Informationen verarbeitet, erklärte Christina Stoiber, Researcherin an der FH St. Pölten, in ihrem Vortrag Pictures of the eyes and mind. Laut Stoiber sind Menschen mittels graphischer Datenvisualisierung deutlich besser in der Lage, Zusammengänge, Trends und Muster zu erkennen. Die visuelle Wahrnehmung im Gehirn ist extrem schnell und effizient. Insbesondere Titel, Legenden und Labels, aber auch Piktogramme nehmen Menschen verstärkt und besser war wahr als andere Formen der Informationsvermittlung. Redundanzen wie sich wiederholende Graphiken helfen, Botschaften effektiv zu vermitteln.

Wenn Sie diese Erkenntnis am liebsten gleich bei sich selbst testen möchten, ist der Besuch der Visualisierungsvernissage sehr zu empfehlen. Hier finden Sie eine ganze Reihe an interaktiven Visualisierungsprojekten, die Master Studierende von Wirtschafts- und Finanzkommunikation an der FH St. Pölten unter der Leitung von Christina Stoiber realisiert haben – zu Directors‘ Dealings österreichischer Unternehmen, zum Rice of the SPACs oder dem Streit Reddit versus Wallstreet am Beispiel von Gamestop.

Dass es Sinn macht, sich dieser Fähigkeit unseres Gehirns gerade in der Berichterstattung zu bedienen, liegt auf der Hand. Auch im Journalismus ist Datenvisualisierung nicht nur als Content in Form von Infographiken hilfreich, auch in der Content-Produktion stellt es ein wichtiges Tool dar. Das zeit der redaktionelle Einsatz des von der FH St. Pölten entwickelten Datenvisualisierungsprogramms netflower.fhstp.ac.at. Datenvisualisierungstool dieser Art werden von Journalistinnen und Journalisten gleich zu Beginn ihres Arbeitsprozesses eingesetzt, um Zusammenhänge und Stories in grossen Datensets zu erkennen. Die Vorstellung, ein solches Tool auch in der Unternehmenspraxis zu haben, ist mehr als reizvoll.

Web-Design und digital Features sind die Zukunft des Reportings  

Diese Erkenntnis konnte der DAX-Konzern Covestro in Zusammenarbeit mit nexxar, der führenden europäischen Agentur im Bereich des Online-Reporting, ideal verwerten. Der Online-Geschäftsbericht von Covestro dient als zentrales Instrument der digitalen Stakeholder-Kommunikation, ist aber nur ein Teil einer digitalen Reporting-Strategie. Svenja Paul (Global Media Relations), ihr Kollege und Head of Communications von Covestro in Hong Kong Markus Kleine-Beck und Eloy Barrantes (CEO von nexxar) machten klar: Die Vorteile eines Online-Berichts liegen u. a. in seiner Verwertbarkeit.

Mit der Veröffentlichung eines Berichts nimmt die digitale Reise erst ihren Anfang. Push Reporting, wie von Covestro erfolgreich praktiziert, bedeutet eine pro-aktive und unter dem Jahr wiederkehrende Kommunikation der Inhalte eines einmalig publizierten Berichts in Social Media. Das ist ein wichtiger Hebel in der Generierung der Aufmerksamkeit und des Vertrauens insb. unter jüngeren Aktionärinnen und Aktionären. Diese fordern Interaktion und Dialog auch ausserhalb der jährlichen Hauptversammlung. Mit Push Reporting können Unternehmen diesen Erwartungen effektiv begegnen.

Nicht zuletzt eröffnet eine digitale Reporting-Strategie neue und wesentlich ressourcenschonendere Wege, die gesetzten Kommunikationsmassnahmen zu evaluieren und effektiv zu steuern. Ein Aspekt, der in der Berichtspraxis aufgrund von Ressourcenengpässen, aber auch aufgrund der bislang präferierten Berichtsformate vielfach auf der Strecke blieb. Darüber, was mit ihren Berichten nach der Veröffentlichung passiert, wissen Unternehmen nur wenig. Wie gross ist das Interesse an ihren Berichten? Wer liest sie? Über welche Devices? Welche Teile des Berichts werden besonders gelesen? Fragen, die auch mit einem PDF-Bericht nicht beantwortet werden können.

Der neue, erst kürzlich erschienene Corporate Reporting Monitor 2021 bestätigt zwar auch eine anhaltende Sympathie für das PDF-Format. Er lässt aber auch XBRL-Optimismus und damit eine gewisse kulturelle Wende durchklingen. Am 1. September 2021 wurden die Schlüsselerkenntnisse aus der Studie in einem Webinar präsentiert. Wir bleiben also dran. Ich hoffe, Sie auch!

Alle Vorträge des 6. Symposium Financial Communications der FH St. Pölten stehen Ihnen als Video oder PDF-Downloads zur Verfügung.

 
FH-Prof. Mag. Monika Kovarova-Simecek

FH-Prof. Mag. Monika Kovarova-Simecek

FH-Prof. Mag. Monika Kovarova-Simecek leitet den Studiengang Wirtschafts- und Finanzkommunikation an der FH St. Pölten. Zu ihren Themenschwerpunkten zählen Digitale Finanzkommunikation, Financial Literacy und Finanzjournalismus. Sie ist Initiatorin des Österreichischen Symposiums für Wirtschafts- und Finanzkommunikation.