Digitale Berichterstattung: Pflichten, Chancen und Risiken für Schweizer Unternehmen
Viele Unternehmen, die an ausländischen Börsen kotiert sind, müssen bereits heute ihre Geschäftsberichte im maschinenlesbaren XBRL-Format veröffentlichen. In der Schweiz gilt ab dem Berichtsjahr 2025 für die Klimaberichterstattung von Unternehmen ebenfalls die Pflicht zur Veröffentlichung eines für Maschinen lesbaren Berichts.
Kürzliche Auswertungen von Aufsichtsbehörden zeigen, dass in der Praxis verbreitet Fehler beim Tagging der Daten auftreten. Unternehmen sollten jetzt prüfen, ob sie von der Pflicht zur Veröffentlichung ihrer Berichte im XBRL-Format erfasst sind. Und sie sollten rechtzeitig die erforderlichen Massnahmen für die gesetzeskonforme und aussagekräftige Berichterstattung treffen. Damit nutzen die Unternehmen die grossen Chancen, die eine verlässliche maschinenlesbare Berichterstattung in den Beziehungen zu Aktionären, Gläubigern und Investoren bietet.
Von Dr. Daniel Lucien Bühr
Zusammenfassung
Aufsichtsbehörden in Europa und den Vereinigten Staaten kontrollieren zunehmend die Qualität digitaler Berichte. Aktuelle Mitteilungen des britischen Financial Reporting Council (FRC) und der US-Börsenaufsicht (SEC) vom Juni 2025 belegen, dass zahlreiche Unternehmen die formalen und inhaltlichen Anforderungen nicht vollständig erfüllen.¹ Die Defizite betreffen nicht nur technische Unzulänglichkeiten, sondern können aufsichtsrechtliche, zivilrechtliche und strafrechtliche Folgen nach sich ziehen und der Reputation schaden.
Auch in der Schweiz hat die digitale Berichterstattung rasch an Bedeutung gewonnen, insbesondere für Unternehmen mit Börsenkotierung in der EU oder den USA sowie im Rahmen der klimabezogenen Offenlegungspflichten. Die Chancen einer verlässlichen, transparenten Berichterstattung sind erkannt, ebenso wie die Risiken fehlender oder mangelhafter Berichterstattung. Unternehmen sollten sich fit für die Zukunft der Berichterstattung machen, das bedeutet insbesondere die Pflichten festzustellen, die Verfügbarkeit fachlicher Kompetenz sicherzustellen und durch geeignete technische Lösungen und aussagekräftige Taxonomie die Qualität der Berichte zu gewährleisten.
Extensible Business Reporting Language (XBRL)
XBRL ist eine internationale Computersprache zur standardisierten digitalen Darstellung von Daten. XBRL wird verwendet, um beispielsweise Finanzberichte einer automatischen Bearbeitung durch Computerprogramme zugänglich zu machen. Anstatt numerische Inhalte nur in Form von Text bereitzustellen, werden diese mithilfe sogenannter „Tags“ maschinenlesbar ausgezeichnet. Eine Weiterentwicklung dieses Formats ist Inline XBRL (iXBRL), bei dem die strukturierten XBRL-Daten direkt in ein HTML-Dokument eingebettet werden.
Mängel in der digitalen Finanzberichterstattung
Die Berichterstattung mittels XBRL ist mit gewissen Mängeln behaftet. Analysen der FRC und der SEC zeigen, dass es häufig zu fehlerhaften oder unvollständigen Tag-Zuordnungen, unzulässigen oder falsch verankerten Erweiterungen der Standard-Taxonomien sowie zur Verwendung unpassender oder eigens erstellter Datenfelder kommt. Zudem werden teilweise Vorzeichen, Skalierungen oder wesentliche Pflichtinformationen falsch oder gar nicht angegeben. Auch die Auffindbarkeit und termingerechte Veröffentlichung der Berichte auf Unternehmenswebsites weist Defizite auf. Solche Mängel verhindern bzw. beeinträchtigen die Auswertung der Daten, können zu ungewollten, „falschen“ Anlageentscheidungen führen und Rechts- sowie Reputationsrisiken zur Folge haben.
Digitale Berichterstattungspflicht für Schweizer Unternehmen
Derzeit besteht in der Schweiz keine Pflicht zur Veröffentlichung der geschäftlichen Berichterstattung im XBRL-Format. Allerdings bestehen bereits etliche anwendbare Taxonomien.² Strukturierte maschinenlesbare Berichterstattung ist allerdings künftig Pflicht, insbesondere im Bereich der nichtfinanziellen Berichterstattung. Art. 4 Abs. 2 der Verordnung über die Berichterstattung über Klimabelange verpflichtet seit dem 1. Januar 2025 börsenkotierte Unternehmen zur Veröffentlichung von maschinenlesbaren Klimaberichten. Die Berichterstattung hat gemäss Verordnung in einem international verbreiteten, für Menschen (z. B. PDF) und für Maschinen lesbaren Format³ zu erfolgen. Die Verordnung lässt offen, was genau unter „maschinenlesbar“ zu verstehen ist.
Weitere Rechtspflichten zur Veröffentlichung von geschäftlichen Berichten in einem maschinenlesbaren Format bestehen in der Schweiz nicht. Eine Ausweitung der maschinenlesbaren Berichterstattung ist jedoch absehbar. Der Bundesrat prüft bspw. eine Annäherung an die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), die eine umfassende digitale Offenlegungspflicht für ESG-Daten vorsieht. Die CSRD und die damit verbundenen Europäischen Berichterstattungsstandards ESRS schaffen mit der XBRL-Taxonomie und dem XHTML/Inline-XBRL-Format die Grundlage für digitale Berichte, die ab 2027 verpflichtend werden sollen.
Im Bereich der finanziellen Berichterstattung ist XBRL für Schweizer Unternehmen besonders relevant, wenn sie den Offenlegungspflichten der Europäischen Union oder der Vereinigten Staaten unterstehen. Unternehmen sollten deshalb frühzeitig prüfen, welche internationale Taxonomien sich für ihre Berichterstattung am besten eignet. Generell ist wichtig, eine international anerkannte Standard-Taxonomie zu verwenden, um die Vergleichbarkeit der Daten sicherzustellen.
Chancen uns Risiken digitaler Finanzberichterstattung
Fehlerfreie, korrekte und aussagekräftige digitale Berichterstattung ist eine Chance für Unternehmen, sich gegenüber Aktionären, Gläubigern und Investoren als kompetent, glaubwürdig und verlässlich darzustellen. Bei allen Unternehmen sollte im Zeitalter künstlicher Intelligenz und automatisierter Analysen die digitale Berichterstattung hohe Priorität besitzen. Mängel bei der digitalen Berichterstattung können aufsichtsrechtliche, zivilrechtliche und strafrechtliche Folgen nach sich ziehen. Bereits wer unzutreffende oder unvollständige Angaben in Kauf nimmt, handelt vorsätzlich. Vorsätzliches Handeln oder Unterlassen ist strafbar, etwa bei unrichtigen Angaben in der nichtfinanziellen Berichterstattung.⁴ Oft genügt aber bereits einfache Fahrlässigkeit, um Strafbarkeit zu begründen. Sowohl fehlerhafte Nachhaltigkeitsberichterstattung als auch Verstösse gegen Buchführungspflichten sind auch bei fahrlässiger Begehung strafbar.⁵
Zivilrechtlich besteht ein Haftungsrisiko für die Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung, wenn Pflichtverletzungen zu einem Schaden für die Gesellschaft, die Aktionäre oder Gläubiger führen. Auch Revisionsstellen können zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie ihre Prüfpflichten nicht mit Sorgfalt erfüllen. Für börsenkotierte Unternehmen gelten zudem erweiterte Rechnungslegungsvorgaben. Die Börse ist befugt, bei wesentlichen Fehlern in der Berichterstattung Korrekturen zu verlangen und Sanktionen auszusprechen. Finanzinstitute und andere regulierte Unternehmen unterstehen zudem der Aufsicht der Finanzmarktbehörden, die fehlerhafte Berichte beanstanden und Massnahmen einleiten können. Zu den rechtlichen Risiken kommen in aller Regel Reputationsrisiken hinzu.
Handlungsempfehlungen
Unternehmen sollten zunächst feststellen, ob sie von XBRL-basierten Berichtspflichten betroffen sind, etwa aufgrund einer Börsenkotierung in der Europäischen Union oder den Vereinigten Staaten, der Schweizer Klimaberichterstattungsverordnung oder künftiger Vorschriften. Auf Grundlage dieser Analyse sollte interne oder externe Fachkompetenz zu XBRL, den relevanten Taxonomien und den regulatorischen Anforderungen des digitalen Reportings sichergestellt werden.
Der Einsatz geeigneter Softwarelösungen für das XBRL-Tagging, die Validierung und den Berichtversand ist essentiell. Moderne Tools unterstützen automatisiertes Tagging, validieren Berichte bezüglich regulatorischer Anforderungen und schaffen Transparenz bezüglich der Einhaltung von Standards. Die Fachorganisation XBRL Schweiz (XBRL CH) entwickelt Taxonomien für Jahres- und Konzernabschlüsse nach Obligationenrecht (OR), welche die gesetzlichen Gliederungsvorschriften in maschinenlesbare Strukturen übersetzen. Dies ermöglicht eine standardisierte, digitale Verarbeitung und erleichtert den Datenaustausch zwischen Unternehmen, Behörden, Investoren und weiteren Stakeholdern.
Interne Kontrollprozesse sollten die Konsistenz, Vollständigkeit und Korrektheit der XBRL-Berichte sicherstellen. Regelmässige Prüfungen und Validierungen helfen, typische Fehler wie falsche Tags, unzulässige Erweiterungen der Standard-Taxonomien oder das Fehlen obligatorischer Angaben zu vermeiden.
Zu berücksichtigen ist, dass sich XBRL-Standards und die zugrunde liegenden regulatorischen Anforderungen laufend weiterentwickeln. Kontinuierliche Schulungen für die Mitarbeitenden in den Bereichen Reporting, IT und Recht/Compliance sind daher unerlässlich, um die Qualität zu bewahren und die Chancen digitaler Berichterstattung zu nutzen.
¹ FINANCIAL REPORTING COUNCIL, Structured digital reporting – 2024/25 insights <https://www.frc.org.uk/library/digital-reporting/structured-digital-reporting-202425-insights/#section.cad04b25> (zuletzt besucht am 12.08.2025); U.S. SECURITIES AND EXCHANCE COMMISSION, Inap-propriate Tagging for Business Development Companies’ Schedule of Investments <https://www.sec.gov/newsroom/whats-new/2506-dqreminder-inappropriate-tagging-bdc-soi> (zuletzt besucht am 12.08.2025).
² Eine Übersicht aller Taxonomien bietet das von XBRL.org bereitgestellte Repository, abrufbar unter <https://taxonomies.xbrl.org/>; Ein Überblick über die in der Schweiz verwendeten Taxonomien, abrufbar unter <https://ch.xbrl.org/xbrl-taxonomien/welche-xbrl-taxonomien-gibt-es/>.
³ XBRL wird lediglich als Beispiel erwähnt.
⁴ Art. 325ter StGB.
⁵ Art. 12 StGB.
Dr. Daniel Lucien Bühr
ist Partner der Kanzlei LALIVE (Genf, Zürich, London) und verfügt über langjährige Erfahrung bei der Beratung und Vertretung von Unternehmen in komplexen nationalen und internationalen Regulierungsprojekten und gerichtlichen Verfahren. Er ist Mitglied der ISO Expertenkommissionen «Governance of Organisations» und «Compliance Management Systems» und u.a. Gründungsmitglied der International Academy of Financial Crime Litigators.