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«Die Post muss ein starkes Unternehmen bleiben.»
Seit Frühling 2025 leitet Alex Glanzmann interimistisch die Schweizerische Post. Im Interview mit The Reporting Times spricht er unter anderem darüber, wie die Post einen starken Service public weiterentwickeln will und welche Herausforderungen er für seine Kernaufgabe als CFO erwartet.
Alex Glanzmann im Gespräch mit Walter Thomas Lutz und Reto Schneider
Herr Glanzmann, Sie sind seit April 2025 CEO ad interim der Schweizerischen Post. Welche Erfahrungen werden Sie mitnehmen, wenn am 1. November 2025 der neue Konzernleiter Pascal Grieder das Ruder übernehmen wird?
Zum Glück kann ich mich hundert Prozent auf mein Engagement als Interims-CEO der Schweizerischen Post konzentrieren. Die CFO-Funktion nimmt während dieser Zeit mein Stellvertreter wahr. Aber zurück zur Frage: Beeindruckend ist zum Beispiel die Gestaltungskraft und die Energie, die in unserem Unternehmen stecken. Weiter wird mir einmal mehr bewusst, wie wichtig der direkte Austausch mit den Mitarbeitenden und den externen Anspruchsgruppen ist. Mir ist es dabei wichtig, transparent und authentisch zu sein.
Das Leitthema dieser Ausgabe lautet «Focus on Business Relevance». Mit der Herausforderung, sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren ist auch die Schweizerische Post mit ihren fünf Geschäftsfeldern Logistikservice (Brief- und Paketpost), Postfinance, Postal Network (Filialnetz), Mobility Services (Postbus) und Digitalservices konfrontiert. Wie packt die Post diese Herausforderung an?
Wir blicken in die Zukunft und beschäftigen uns mit der Frage, wie die Post von morgen aussehen soll. In Bezug auf die Weiterentwicklung stehen vier grundsätzliche Themen im Zentrum: Wachstum über einen Ausbau des Angebots, die Weiterentwicklung unserer Dienstleistungen, die Preisentwicklung und Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung. Dies vor dem Hintergrund, dass sich die Kundenbedürfnisse markant verändern: Die Nachfrage nach bisherigen Leistungen, wie physische Briefpost oder Schaltergeschäfte, geht zurück. Uns geht es um die wichtige Frage, mit welchem Angebot die Post in Zukunft relevant im Alltag der Menschen bleibt und Mehrwert für die Kundinnen und Kunden schafft.
«Mir ist es wichtig, transparent und authentisch zu sein.»
Wie gehen Sie vor, um die Erwartungen der unterschiedlichen Stakeholder der Schweizerischen Post an einen nachhaltigen Service public und an ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen unter einen Hut zu bringen?
Die Schweizerische Post ist auch nach der Aufspaltung der PTT eine Erfolgsgeschichte. Trotz ihres anspruchsvollen Grundversorgungsauftrags konnte über lange Zeit ein gutes finanzielles Ergebnis ausgewiesen werden, und der Bund als Eigentümerin profitiert regelmässig von Dividendenausschüttungen. Mittlerweile steigt jedoch der Druck und Geschäftsfelder wie die Briefpost oder Postfinance, die lange für positive Ergebnisbeiträge garantierten, stossen an ihre Grenzen. Das macht es nötig, die künftige Ausgestaltung des Grundversorgungsauftrags zu thematisieren und den Service public der Zukunft im Dialog mit dem Eigner, der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu diskutieren. Es geht dabei nicht um das Format einer Dienstleistung: Für uns entscheidend ist der Inhalt. Wir wollen der ganzen Bevölkerung einen schnellen und unkomplizierten Zugang zu den Postdienstleistungen ermöglichen. Beispiele dafür, die sich in der Praxis bewährt haben, sind die MyPost-24-Automaten, aber auch die Postfilialen, die wir mit Partnern betreiben und in denen die Kunden auch gleichzeitig ihren Einkauf erledigen können. Dieses Format ist ein Erfolgsmodell. Es geht letztlich um die Frage, wie die Postdienstleistungen auch in Zukunft die Erwartungen der Bevölkerung an den Service Public erfüllen. Was die Einzigartigkeit der Post heute ausmacht, ist, dass wir in allen Gebieten, Regionen und Dörfern der Schweiz mit unseren Dienstleistungen präsent sind und wie sich unsere Mitarbeitenden tagtäglich für eine hohe Servicequalität einsetzen. Das macht uns aus und erfüllt mich mit Stolz.
Wenn Sie einen Wunsch an die Politik frei hätten, wie würde dieser lauten?
Der heutige Grundversorgungsauftrag stammt aus einer anderen Zeit, in der es – um nur ein Beispiel zu nennen – noch kaum Smartphones gab. Unser Leben hat sich massiv verändert. Dieser Wandel muss in den Grundversorgungsauftrag der Schweizerischen Post einfliessen. Die Diskussion darüber muss neben dem Heute und Morgen auch zwingend das Übermorgen einbeziehen. Dabei sollte es der Post erlaubt bleiben, unternehmerisch zu handeln, um einen starken Service public weiterentwickeln zu können. So wie ihn die Kundinnen und Kunden wollen. Ohne unternehmerische Freiheiten gerät unsere finanzielle Stabilität ins Wanken und Subventionen könnten notwendig werden. Dieser Konsequenzen müssen sich die Politiker bewusst sein. Die Post braucht darum eine verbindliche Antwort, wie der Grundversorgungsauftrag finanziert werden kann.
In einem Social-Media-Beitrag im Zusammenhang mit einer Kampagne des Wirtschaftsverbands Advance haben Sie sich hinter dessen «Diversity & Inclusion»-Programm gestellt. Welche Gleichstellungsziele verfolgt die Post?
Die Post beschäftigt heute rund 45’000 Mitarbeitende aus circa 140 Nationen. Unsere Belegschaft ist sehr divers. Deshalb sind uns Themen wie Vielfalt und Inklusion seit vielen Jahren wichtig. Zum Beispiel ist das Verhältnis von weiblichen und männlichen Mitarbeitenden bei der Post in etwa fifty-fifty. Auf der Führungsebene haben wir aber noch Potenzial. Das widerspiegelt sich auch in unseren Zielen: Bis 2030 soll der Frauenanteil in der Führung von heute 24% auf 30% steigen. Diese Zielvorgaben unterstützen wir mit verschiedenen Massnahmen. Zum Beispiel werden alle Stellen auch mit der Möglichkeit für ein Teilzeit-Pensum ausgeschrieben, und wir bieten bei bestimmten Positionen an, dass diese von zwei Personen gemeinsam wahrgenommen werden können.
«Bis 2030 soll der Frauenanteil in der Führung von 24% auf 30% steigen.»
Was unternimmt die Schweizerische Post, damit sich ihre Mitarbeitenden auch persönlich mit den ESG-Zielen des Unternehmens identifizieren?
Im Bereich Umwelt wollen wir eine Vorbildrolle einnehmen. Im Logistikbereich beschäftigen wir uns intensiv mit der CO2-Frage und haben uns deshalb auch relativ ambitionierte Ziele gesetzt. Bis 2030 will die Schweizerische Post im eigenen Betrieb klimaneutral werden. Im Jahr 2040 soll dann die gesamte Wertschöpfungskette klimaneutral sein. Auf diesem Pfad elektrifizieren wir konsequent unsere Flotte, setzen auf erneuerbare Energie und optimieren unsere Immobilien auf aktuelle Energiestandards. Unsere Fortschritte kommunizieren wir laufend auch intern. So können unsere Mitarbeitenden die Fortschritte verfolgen. Wenn wir auf den Sozialaspekt blicken, so ist uns unter anderem wichtig, dass die Schweizerische Post weiterhin auch in den Regionen stark verankert ist. Zudem fördern wir Inklusion und setzen uns für ein wertschätzendes Arbeitsumfeld ein. Die Governance ist ein wiederkehrendes Thema im Austausch mit dem Bund als Eigentümerin der Schweizerischen Post.
Die Digitalisierung ist für die Schweizerische Post wohl Fluch und Segen zugleich?
Ein Aspekt ist sicherlich, dass die Digitalisierung dazu führt, dass das traditionelle Briefgeschäft stetig zurückgeht– notabene nach wie vor das stärkste Geschäft der Post. Darauf reagieren wir, indem wir mit digitalen Angeboten ergänzen. Dafür haben wir einen eigenen Geschäftsbereich geschaffen, «Digital Services», in dem wir unter anderem die Möglichkeit bieten, physische Briefe mit der digitalen Welt zu verschmelzen. Weitere Themen sind «EVoting» oder «Digital Health». Der Auftrag der Post hat sich nie darauf beschränkt, einen physischen Brief von A nach B zu transportieren. Er lautete immer, sensible Informationen sicher und vertraulich zu transportieren. Das gilt in der digitalen ebenso wie in der physischen Welt. Ich bin überzeugt, dass es dafür auch in Zukunft ein grosses Bedürfnis gibt. Das stellen wir auch im Rahmen der Diskussion über die Postverordnung der Zukunft fest, in der hybride Briefe Teil der Grundversorgung sein sollen. Dieses Potenzial wollen wir nutzen und im Rahmen unserer Kernkompetenz zunehmend auch entsprechende digitale Dienstleistungen anbieten.
In welchen Bereichen setzt die Schweizerische Post bereits KI ein, und wo sehen Sie weiteres Potenzial für KI bei der Post?
KI ist auch bei uns präsent. Die Post setzt KI heute in mehreren Bereichen ein, zum Beispiel bei der Verzollung, bei der Paketsortierung, im Kontaktcenter oder im Cyber-Security-Bereich. KI hilft uns, Prozesse effizienter zu machen. Weitere Anwendungsmöglichkeiten sehe ich bei administrativen Prozessen wie zum Beispiel dem Accounting. Momentan sind wir daran, eine KI-Lösung zu entwickeln, die uns helfen soll, die Ankunftszeit von Paketen minutengenau zu berechnen und so die Planung der Zustelltouren zu optimieren. Wichtig ist, dass wir unsere Mitarbeitenden dabei unterstützen, sich mit den Möglichkeiten von KI vertraut zu machen. Dafür haben wir verschiedene interne Schulungsprogramme lanciert. Es geht darum, Ängste abzubauen und den Mitarbeitenden zu zeigen, wie sie von KI-Lösungen profitieren können. Wichtig ist, die Mitarbeitenden mitzunehmen. Das machen wir, indem wir die Mitarbeitenden dabei unterstützen, sich fit für die Aufgaben der Zukunft zu machen, um gemeinsam mit ihnen in die Zukunft zu gehen.
Wie sieht die Schweizerischen Post von morgen und übermorgen aus?
Die Schweizerische Post muss ein starkes Unternehmen mit einem hochwertigen Service public bleiben. Auch in Zukunft werden die Paketpost – bei der wir wieder steigende Zahlen verzeichnen – und die Briefpost zum Angebot gehören. Gleichzeitig wollen wir uns mit den Kundenbedürfnissen entwickeln. Deshalb ist es ein grosser Vorteil, dass die Bevölkerung der Post vertraut und ihr eine hohe Loyalität entgegenbringt. Unser Ziel ist klar, wir wollen weiterhin einen relevanten Service public anbieten, der sich selbst finanzieren kann. Die Post soll auch in Zukunft ein wichtiger Partner von Gesellschaft und Wirtschaft sein mit innovativen Kundenlösungen.
Welche Herausforderungen werden diese Entwicklungen für Ihre Aufgaben als CFO mit sich bringen?
Die Herausforderungen an die finanzielle Steuerung eines Unternehmens werden zunehmend komplexer. Gleichzeitig nimmt die Reaktionszeit ab. Das fordert den CFO als strategischen Partner des CEO zusätzlich.
Und noch zwei persönliche Fragen: Wie halten Sie eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Freizeit – wie schöpfen Sie nach anspruchsvollen Tagen neue Energie?
Beim Sport. Und ich verbringe gerne Zeit in der Natur oder besuche kulturelle Anlässe. Ich koche auch gerne, und die gemeinsame Zeit mit Familie und Freunden bieten ebenfalls Gelegenheit zum Auftanken.
Mit welchen drei Personen würden Sie gerne im Lift stecken bleiben?
Barack Obama wäre ein spannender Gesprächspartner. Auch Claude Nicollier, mit dem ich über seine Visionen und Erfahrungen sprechen würde. Und vielleicht noch Angela Merkel. Von der früheren Kanzlerin würde ich unter anderem gerne wissen, was sie über die aktuelle geopolitische Situation und die Herausforderungen für Deutschland und Europa denkt.
Zur Person: Alex Glanzmann
Alex Glanzmann arbeitet seit 2005 bei der Schweizerischen Post zunächst in leitenden Funktionen bei der früheren PostLogistics; seit 2016 ist er Mitglied Konzernleitung und CFO sowie bis Ende Oktober 2025 CEO ad interim. Er studierte an der Universität Bern Ökonomie (lic. rer. pol.) und verfügt über einen Executive MBA in Business Engineering der HSG.