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Relevant sind wir!

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Relevant sind wir!

Kürzlich gestand mir ein CEO eines grossen Unternehmens, wie geradezu einfach das Führen vor fünf Jahren schien: kein Krieg, keine Pandemie, eine stabile internationale Ordnung. Seit 2020 hat sich alles verschoben: Die Coronapandemie riss uns aus unserem gewohnten Trott und liess uns flexibler werden; der Krieg in der Ukraine machte uns die Fragilität einer heilen Welt bewusst und lehrte uns, die richtige Seite zu wählen; und der disruptive Führungsstil an der Spitze der Weltmacht USA zwingt uns nun, uns und unsere Organisation zu überprüfen und neu aufzustellen.

Von David Bach

Dabei beweist gerade der letzte Punkt, wie wichtig Stabilität für Führung ist. Viele unserer IMD-Absolventinnen und -Absolventen fragen sich (und uns!), was denn nun zu tun ist, wenn abrupt Zollschranken hochgezogen werden, Diversitätsbemühungen plötzlich verteufelt werden und gleichzeitig genauso disruptive Entwicklungen wie künstliche Intelligenz uns zwingen, unsere Strukturen und Prozesse zu überprüfen.

Märkte sind überall

Das Positive im Negativen zu sehen, gehört meiner Ansicht nach zu den Kernfähigkeiten einer Führungsperson. Das heisst konkret: Wenn sich plötzlich die Rahmenbedingungen mit neuen, zum Teil prohibitiven Zöllen verändern, zwingt uns dies, zu überprüfen, was wir produzieren, wo wir produzieren, wo unsere Märkte heute sind und wo morgen usw.

Wir sehen, wie viele Unternehmen, ausgelöst durch die Trump’schen Zolldrohungen, nicht einfach einknicken und Produktionsstätten in den USA planen – was erstens nicht ganz banal ist, zweitens nicht so schnell geht und drittens nicht unbedingt die beste Lösung ist. Sondern sich daran machen, neue Märkte zu erschliessen und aufzubauen.

DEI bleibt wichtig – trotz Trump

Es wäre aus meiner Ansicht genauso verfehlt, nun plötzlich alle DEI-Bemühungen einzustellen. Diversität, Chancengleichheit und Inklusion bleiben wichtig. Wir haben wichtige Bemühungen in diese Richtung getan, wir sollten weiter an diesen Themen arbeiten, auch wenn der Wind gerade aus einer anderen Richtung weht. Ich bin der Überzeugung, dass diese Themen mittel- und langfristig entscheidend für den Business-Erfolg sind.

Genau solch konsequentes Handeln bedeutet für mich Fokus auf Geschäftsrelevanz. Übrigens würde die schnelle Aufgabe von DEI-Zielen nur bedeuten, dass es reines Window-Dressing der Geschäftsführung und nie ernst gemeint war. Das wäre entblössend und würde uns als Führungspersonen in unserer Glaubwürdigkeit massiv schwächen.

KI: Ja, gerne – aber mit Sicherung

Weit weniger Schlagzeilen produziert zurzeit die künstliche Intelligenz. Wir haben uns – scheint mir – daran gewöhnt, dass sie Teil unseres (Arbeits-)Lebens geworden ist. Wie jede Intelligenz entwickelt sie sich weiter – und wir mit ihr. Wir sollten deshalb, gerade aus Sicht der Relevanz für das Geschäft, sie als Werkzeug nutzen, überall dort, wo sie uns hilft, unsere Prozesse einfacher und kostengünstiger zu gestalten. Aber wir dürfen dabei eines nicht vergessen: Sicherheit geht vor, sowohl bei den Kundinnen und Kunden wie bei den Mitarbeitenden.

Womit wir beim Kern von allem Tun wären, der Relevanz der Relevanz. Uns. Den Menschen. Was wir tun, tun wir für Menschen. Wir tun es mit Menschen. Wenn wir die Herzen der Kundschaft nicht erobern, dann wird es für die besten Produkte und Dienstleistungen schwierig. Um die Herzen der Kundinnen und Kunden wirklich zu erobern, müssen wir zunächst die Herzen unserer Mitarbeitenden gewinnen: Nur wenn sie hochmotiviert sind und alles geben, entstehen Resultate, die überzeugen. Es ist eine Illusion, zu glauben, es gehe von alleine, oder eine strikte Führung mit harter Hand reiche. Wir müssen uns menschlich zeigen, um Menschen zu gewinnen.

Führung + Persönlichkeit = Führungspersönlichkeit

Damit meine ich aber nicht, dass wir uns nun alle gernhaben und in den Armen liegen, nie ein kritisches Wort sagen und fröhlich in den Tag leben. Nein, die Menschen erwarten von Führungspersönlichkeiten genau das, was im Wort drinsteckt: Führung, also die Ansage, was das Ziel ist und wie man dahin gelangen möchte. Und Persönlichkeit: Ein Mensch sein, mit Ecken und Kanten, aber auch mit dem Gespür für die anderen, der das Gegenüber als Mensch ernst nimmt. Dann werden wir relevant, als Leaderin und Leader und als Mensch.

Aus Kleinräumigkeit ausbrechen

Einen Gedanken möchte ich noch teilen, der mir sehr am Herzen liegt, insbesondere seitdem ich in der Schweiz arbeite und lebe. Hier heisst es oft: Das Gute liegt so nahe. Und das stimmt auch: Die Schweiz ist ein vielgestaltiges Land auf kleinstem Raum. Man könnte sich aber darin verlieren. In der Selbstgefälligkeit, zum Beispiel. Dass das nicht so sein muss, zeigen aber gerade die vielen multinationalen Unternehmen in diesem Land: Sie sind aus der Kleinräumigkeit ausgebrochen, haben mit neuen Ideen neue Märkte erobert. Dies sollte Antrieb für uns alle sein, nicht in unserer gewohnten Bubble zu bleiben, auszubrechen aus dem Trott, die gewohnten Pfade zu verlassen, und das ganz ohne Antrieb von aussen – auch ganz ohne Anstupsen durch präsidiale Order.

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Key Takeaways

  1. Krise als Anstoss sehen, neu und anders zu denken. Wenn etwas nicht funktioniert, geht es vielleicht anderswo.

  2. Kurs halten, auch bei Gegenwind – wenn man vom Kurs überzeugt ist, gerade bei Diversitäts- und Inklusionsthemen.

  3. Neue Technologien wie künstliche Intelligenz sollten wir natürlich nutzen – aber nicht ohne die Sicherheit aus den Augen zu lassen.

  4. Es geht immer um Menschen, Technologie ist nur ein Hilfsmittel. Wer mit Mitarbeitenden gut und glaubwürdig kommunizieren kann, wird auch im Markt erfolgreich sein.

  5. Nicht zu klein denken, ausbrechen aus dem Gewohnten, auch und gerade, wenn man erfolgreich ist.


David Bach

ist Präsident des IMD und Nestlé-Professor für Strategie und politische Ökonomie. Er übernahm die Präsidentschaft des IMD am 1. September 2024. Er arbeitet daran, den globalen Einfluss von IMD durch Lerninnovation, Exzellenz in Studien- und Führungsprogrammen und eine angewandte Vordenkerrolle zu erweitern und zu vertiefen. Bach, der weltweit als Innovator in der Managementausbildung anerkannt ist, war zuvor Dekan für Innovation und Programme am IMD.