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«CCO Compass 2025»: Kommunikation in der Zeitenwende
Fake News, Fragmentierung, Polarisierung sind Kennzeichen der «neuen Öffentlichkeit». Der HarbourClub das CCO-Netzwerk in der Schweiz hat mit seinem «CCO Compass 2025» eine Wegleitung für Unternehmen vorgelegt, wie diese ihre Kommunikation in der Zeitenwende gestalten können.
Von Hans-Peter Nehmer
In der Öffentlichkeit der Zeitenwende schlägt sich das Digitale nicht mehr als «Null oder Eins» nieder, sondern als «wir oder sie», «Freund oder Feind», «richtig oder falsch».
Die Handlungsfreiheit der Wirtschaft und ihr Erfolg hängen also unmittelbar von politischen Entwicklungen ab. Dennoch wird die Öffentlichkeit und mit ihr die Politik im Unternehmen häufig als Störung des Betriebs empfunden.
Die Kommunikationsleiter:in, die die Aufgabe hat, diese Öffentlichkeit in die Strategieentwicklung und Planung des Unternehmens einzubringen, wird dadurch nicht selten selbst als lästig empfunden. Und je politischer und schwieriger die Öffentlichkeit für Unternehmen wird, desto anspruchsvoller wird die Aufgabe der:des Kommunikationsleiter:in.
Der HarbourClub hat in seinem «CCO Compass 2025» eine Wegleitung anhand von fünf zentralen Handlungsfeldern erstellt. Felder, mit denen sich Kommunikationsarbeit in Unternehmen aktiv auseinandersetzen muss, um den Weg durch knifflige Dilemmata zu gestalten.
Die Handlungsfelder sind:
die Gewinnung von Vertrauen;
die Fragmentierung der Öffentlichkeit;
die Polarisierung der Gesellschaft;
der «neue» Umgang mit Wahrheit
und schliesslich – die veränderte Aufgabe der Kommunikationsfunktion.
Die neue Rolle der Unternehmenskommunikation
Die:der Kommunikationsverantwortliche ist heute 360-Grad-Stakeholder-Relations-Manager:in. Die Bedeutung der Beziehung zu den Medien ist Teil einer Vielzahl von Beziehungen zu verschiedenen Stakeholder:innen, die alle gleichermassen berücksichtigt werden müssen. Die zunehmende Abstinenz grosser Teile der Bevölkerung von Qualitätsmedien einerseits und der Ressourcenmangel in den Redaktionen andererseits führen zu einem Relevanzverlust. Ich sage das mit Bedauern als ehemaliger Medienschaffender – die Medien sind für Unternehmen immer weniger wichtig.
Die vielen neuen Kanäle und Kontaktpunkte haben dazu geführt, dass immer mehr Stellen und Personen im Unternehmen Kontakt zu den verschiedenen Stakeholder:innen haben. Diese Gruppen sind nicht mehr klar voneinander abgegrenzt, sondern sie sind vernetzt und häufig sogar die gleiche Person. Um gehört und verstanden zu werden, braucht das Unternehmen eine Erzählung, die mit den gleichen stimmigen Botschaften all diese Menschen erreicht. Dies sicherzustellen, ist im Unternehmen die Aufgabe der:des Kommunikationschef:in. Dazu braucht sie:er interne Autorität gegenüber anderen kommunizierenden Stellen. Eine Kommunikationsabteilung, die lediglich «interne Dienstleisterin» ist – und nicht eine steuernde Funktion, ist früher oder später ein Reputationsrisiko für das Unternehmen.
Vertrauen und Haltung in der Unternehmenskommunikation
Die Zeitenwende mit ihrer Polarisierung, mit Fake News, mit der KI-getrieben Content-Explosion und Halluzination – führt zu Dilemmata mit vielen Fallstricken aber auch einer grossen Chance. Der Chance – durch gute kommunikationsrelevante Entscheide – Vertrauen zu gewinnen. Mehr denn je ist Vertrauen der entscheidende Wettbewerbsvorteil und der Schlüssel zu unternehmerischem Erfolg. Ich würde sogar so weit gehen und von der eigentlichen Währung der Unternehmenskommunikation sprechen. Die:der Kommunikationschef:in als Teil der Unternehmensleitung entlastet die Geschäftsführung, weil sie:er konsequent diese spezifische holistische und langfristige Reputationsperspektive einnimmt. Wir müssen künftig noch stärker auf Fakten und Transparenz achten. Die Kommunikationschef:innen sollten neu die Verantwortung für die Verbreitung von Wahrheit (oder: Ehrlichkeit) übernehmen – im Unternehmen und für das Unternehmen.
Unternehmen suchen ständig Opportunitäten, das ist ihre Aufgabe. Die Gefahr des Opportunismus ist oft nicht weit. Um im Markt erfolgreich zu sein, wurde es für Unternehmen über die letzten Jahre immer wichtiger, auch gesellschaftlich Haltung einzunehmen. In der Zeitenwende gilt das nach wie vor Unternehmen müssen sich branchen- und situationsspezifisch zu den Megatrends äussern wie z. B. zu den geopolitischen und demographischen Verschiebungen, zu Gerechtigkeits- und Freiheitsfragen sowie zum konkreten Umgang mit Technologie und KI.
Eine Umfrage unter den Kommunikationschef:innen hat zudem ergeben, dass es in den nächsten Jahren für den Erfolg aller Schweizer Unternehmen wichtig ist, zu folgenden Themen Haltung zu beziehen:
Dem Klimawandel und den anderen Nachhaltigkeitsfragen,
der Beziehungen der Schweiz zur EU und
der Sicherung des sozialen Friedens und dem Umgang mit Gerechtigkeit.
Nur wird es in der Zeitenwende gefährlich, wenn die Haltung aus einer Laune heraus oder aufgrund der individuellen Befindlichkeit einzelner Personen im Unternehmen geschieht.
Stattdessen muss strategisch-vorausschauend gehandelt und entsprechend Kommunikationsentscheidungen vorbereitet und getroffen werden.
Fazit
Kommunikationschef:innen sollten zu Stakeholder-Relationship-Manager:innen werden, die im Unternehmen aus der «Dienstleistungsfalle» herauskommen und für das Unternehmen Verantwortung für die Aufrichtigkeit der Kommunikation übernehmen. Haltung ist dabei der strategische Kompass der Kommunikation. Die:der Kommunikationschef:in beschäftigt sich nicht mehr nur mit dem «Senden», sondern mit der Gestaltung von Beziehungen zu allen Stakeholder-Gruppen.
Key Takeaways
Die Kommunikation generiert dann Mehrwert, wenn sie für die Unternehmensstrategie mitverantwortlich ist.
Die Stakeholder:innen verlangen Haltung der Unternehmen insbesondere
zu den geopolitischen und demografischen Verschiebungen;
zur Gerechtigkeits- und Freiheitsfrage;
zum konkreten Umgang mit Technologie und künstlicher Intelligenz.
«CCO Compass 2025: Kommunikation in der Zeitwende»
ist hier auf Deutsch zugänglich: https://harbourclub.ch/de/food-for-thought
Hans-Peter Nehmer
ist seit 2020 Präsident des HarburClub, der Vereinigung Schweizer Kommunikationschef: innen bedeutender Unternehmen und Organisationen. Seit 2010 ist er Chief Communications Officer CCO der Allianz Suisse. Vorher war er Kommunikationschef bei Cablecom und der Hotelplan Gruppe sowie als Journalist und Moderator beim Schweizer Fernsehen tätig.