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Erfahrungen mit der ESRS-Erstanwendung und SAPs langfristige ESG-Reporting-Vision
Zum Ende der aktuellen Berichtssaison blicken Unternehmen erstmals würdigend auf eine ESRS-/CSRD-Anwendung zurück. Zunächst zeigt sich, dass Unternehmen einer ganzheitlicheren Berichterstattung nähergekommen sind. Der vorgegebene Pfad ist daher grundsätzlich richtig, ist doch unstrittig, dass ohne die externe Berichterstattung über nichtfinanzielle Belange eine ganzheitliche und langfristige Beurteilung der Unternehmensperformance unmöglich ist. Dennoch zeigen sich Verbesserungspotenziale – der Artikel soll zeigen, wie wir bereits heute bei SAP versuchen, den Schwächen des heutigen Reportings entgegenzuwirken.
Von Christopher Sessar
Neben dem vielfach kritisierten «Information- Overload» – dem man regulatorisch mit der EU-Omnibus- Initiative entgegenwirkt – verbleiben zwei weitere wichtige Aspekte, die nach Auffassung des Autors im aktuellen Regelwerk unzureichend Berücksichtigung finden:
Entscheidungsnützlichkeit durch Datenqualität und – konsistenz
Regulatorische Bemühungen bezüglich der nichtfinanziellen Berichterstattung scheinen aktuell insbesondere auf ein Mehr an Angaben zu zielen, getreu dem Motto «viel hilft viel». Die Datenqualität und – konsistenz ist jedoch (zu) wenig im Fokus. Erfahrungen im Hinblick auf die tatsächliche Entscheidungsnützlichkeit der Finanzberichterstattung legen aber nahe, dass diese in erheblichem Masse mit deren Verlässlichkeit, also der Qualität, korreliert. Heute kann jedoch die Qualität der berichteten ESRS-Datenpunkte nicht das hohe Niveau der Finanzberichterstattung erreichen, die die mittelfristige Benchmark bezüglich der Berichtsqualität sein sollte. Anders gesagt: Die Regel «Berichtsqualität schlägt Berichtsquantität» ist ein vom Regulierer unzureichend berücksichtigtes Konzept.
Überleitbarkeit und Konvergenz nichtfinanzieller und finanzieller KPIs
Bewerten heisst vergleichen. Dieses Grundprinzip der Unternehmensbewertung gilt auch für die nichtfinanzielle Berichterstattung. Ein Vergleich wird aber nur dann möglich, wenn man es schafft, nichtfinanzielle KPIs in monetäre Grössen zu übersetzen, man also eine direkte Beziehung («Connectivity») zwischen ESG-Datenpunkten und der Finanzberichterstattung herstellt. In der Realität sind Finanz – und CSRD-Reporting heute aber sehr entkoppelt, was es für Adressaten unmöglich macht, die holistische Unternehmensperformance zu ermitteln und Unternehmen unter ganzheitlichen Gesichtspunkten, idealerweise über eine monetarisierte Erfolgsgrösse, zu vergleichen.
Unsere Reporting-Vision: transaktionale Erfassung von ESG-Attributen und zentrale ESG Analytics Plattform
Der höchste Grad an ESG-Datenqualität wäre über eine transaktionale Erfassung (pro Geschäftsvorfall) von ESG-Attributen erreichbar, was sich vor allem beim Carbon-Footprint-Reporting anbietet. Hier könnte man, analog zum Financial Reporting, bspw. für bestimmte Carbon-Hotspots, Emissionsdaten über eine sog. Ledger-Lösung erfassen, das heisst diese buchen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Zum einen kann bei integrierten Systemen so die Überleitung von nichtfinanziellen in finanzielle Grössen gut erreicht werden. Verlässlichkeit und Nachprüfbarkeit (auch für den Prüfer) sind deutlich erhöht, wodurch die Daten entscheidungsnützlicher würden. Mittelfristig wird die Berichtserstellung sogar einfacher, weil stärker automatisierbar.
Der höchste Grad an ESG-Datenqualität wäre über eine transaktionale Erfassung erreichbar.
Die technologischen Voraussetzungen hierfür gibt es: SAP S/4HANA bietet bspw. die Möglichkeit, nichtfinanzielle Hauptbuchkonten auf die gleiche Weise zu erstellen wie traditionelle Konten. Das System ermöglicht die Anpassung der Konten-strukturen, um spezifische Arten von Emissionen zu erfassen. Unternehmen können ein grünes Hauptbuch mit den Unterpositionen für direkte (Scope 1), indirekte (Scope 2) und Emissionen der Lieferkette (Scope 3) erstellen: Durch die Strukturierung ähnlich wie bei Finanzkonten können Emissionsdaten auf derselben Granularitätsebene verfolgt werden, wodurch Unternehmen sowohl finanzielle als auch Emissionsauswirkungen nebeneinander würdigen und ineinander überleiten können. Eine Voraussetzung ist, dass Emissionsdaten im Voraus auf granularer Ebene bereitgestellt werden, z. B. von Lieferanten für eingekaufte Waren und Dienstleistungen. Im Finanzbereich der SAP pilotieren wir schon heute die transaktionale Erfassung von CO2-Emissionen in einer «Green Ledger» Umgebung für einzelne Company Codes, um früh Erfahrungen mit der Technologie zu sammeln und das Fundament dafür zu legen, mittelfristig zumindest partiell auf eine transaktionsbasierte ESG-Datengenerierung, die in das ERP-System voll integriert ist, migrieren zu können, um erwartbare steigende Anforderungen an die ESG-Berichtsqualität zu erfüllen.
Zudem streben wir bereits im Geschäftsjahr 2025 an, den überwiegenden Anteil aller ESRS-Datenpunkte in einer zentralen Instanz zu sammeln: der «SAP Sustainability Control Tower» ist hier unsere technologische «Single Source of Truth» Umgebung für sämtliche berichtspflichtige Datenpunkte, in der Daten dann auch einer halbautomatisierten Berichterstellung zugeführt werden. Perspektivisch wird man hieraus mit Unterstützung von KI-basierten Funktionen Berichtsinhalte automatisiert erstellen können. Lehren aus der Finanzberichterstattung zeigen, dass ein solches Vorgehen erhebliche Vorteile im Abschlussprozess bezüglich Qualität und Geschwindigkeit mit sich bringt, auch wenn diese zentrale Umgebung zunächst teilweise noch auf manuell erstellte Datentöpfe zugreift.
Green Ledger
«Umweltbilanzierung»: Der «Green Ledger» ermöglicht die transaktionale Erfassung/Verbuchung und Bewertung von Umweltdaten, um eine umfassende «Umweltbilanz» zu erstellen.
Nachhaltigkeitsberichterstattung: Er unterstützt Unternehmen bei der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten.
Integration mit ERP-Systemen: Der SAP Green Ledger ist in die bestehenden ERP-Systeme integriert, was eine nahtlose Datenerfassung und – verarbeitung ermöglicht.
Prof. Dr. Christopher Sessar
ist Chief Accounting Officer und Leiter des Bereichs Global Accounting, Reporting & Tax der SAP SE. Er hat einen Lehrauftrag an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und ist in diversen Arbeitskreisen der Schmalenbach Gesellschaft e.V. und im Verwaltungsrat des DRSC engagiert.