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Interview | «Ich nehme mir regelmässig Zeit zum Reflektieren»

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«Ich nehme mir regelmässig Zeit zum Reflektieren»

Die Belimo Gruppe ist Weltmarktführer in Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Feldgeräten zur energieeffizienten Regelung von Heizungs-, Lüftungs – und Klimaanlagen. Klappenantriebe, Regelventile, Sensoren und Zähler bilden das Kerngeschäft. Die Gruppe erzielte 2024 mit rund 2’300 Mitarbeitenden einen Umsatz von CHF 944 Millionen. Die Aktien der BELIMO Holding AG werden seit 1995 an der SIX Swiss Exchange gehandelt.

Von Walter Thomas Lutz mit Markus Schürch

Herr Schürch, Sie haben nach dem Chemiestudium und Ihrer Dissertation an der ETH Zürich eine Laufbahn als CFO eingeschlagen. Wie kam es dazu?

Wie wohl bei vielen Karrieren waren Chancen und Möglichkeiten, die sich mir boten, mindestens so wichtig wie die Planung. Nach meiner Zeit an der ETH wollte ich in der Wirtschaft im kommerziellen Bereich tätig sein. Mit dem Einstieg als Berater bei McKinsey bot sich mir eine attraktive Gelegenheit. Der Sprung in die Industrie als Verantwortlicher Corporate Development von Landis+Gyr brachte mich den Finanzen näher und nach weiteren Stationen wurde mir die Aufgabe des CFO für die Region EMEA übertragen. Danach kam der Wechsel zu Belimo. Es war mir immer wichtig, Zahlen mit dem Geschäft zu verbinden und zu sehen, welche Schlüsse daraus gezogen werden können.

Inwiefern hilft Ihnen Ihr naturwissenschaftliches Studium dabei?

Ein gutes mathematisches Verständnis hilft im Finanzmanagement und beim Reporting auf jeden Fall. Diesbezüglich bietet ein naturwissenschaftliches Studium eine solide Grundlage. Und mit dem Non-Financial-Reporting werden zunehmend Themenbereiche an die Finanzorganisation herangetragen, die insbesondere im Umweltbereich viel mit den Naturwissenschaften zu tun haben.

Die Anforderungen an das Non-Financial-Reporting sind signifikant gestiegen. Wie haben sich dadurch die Aufgaben an ein zeitgemässes Finance-Team verändert?

Die Finanzabteilung muss neben dem klassischen Finanzbericht einen Nachhaltigkeitsbericht koordinieren, der die relevanten Vorschriften und deren Entwicklung berücksichtigt. Konkret bedeutet dies, dass ganz neue Daten und Quellen eingebunden und reportingfähig gemacht werden müssen. Deshalb sind viel mehr Stellen in das Reporting und den Abschlussprozess involviert. Die Kommunikation mit und die Ausbildung von neuen Kolleginnen und Kollegen, die oft noch nicht mit den Anforderungen des Reportings vertraut sind, nehme ich als spannende, aber manchmal auch herausfordernde neue Aufgabe wahr.

Wie gehen Sie vor, um die operativen Aufgaben und die regulatorischen Anforderungen effizient unter einen Hut zu bringen?

Es lohnt sich, Zeit zu investieren, um das Ziel und die Information der Berichterstattung zu definieren. Darauf aufbauend sollten die Prozesse zur Erfüllung der regulatorischen Anforderungen effizient und nachhaltig aufgesetzt werden. Der Initialaufwand ist zwar höher, zahlt sich aber im Laufe der Zeit aus und setzt Ressourcen für strategische Aufgaben frei.

Welche Instrumente nutzen Sie, um den Fokus auf den strategischen Themen zu halten und in Ihrer Organisation dem Silodenken vorzubeugen?

Belimo verfügt über einen stringenten und gut ausgebauten Strategie – und Priorisierungsprozess, den wir jährlich mit starker Einbindung von Verwaltungsrat und Konzernleitung durchlaufen. Dadurch haben wir eine sehr gute Abstimmung im Unternehmen und ein gemeinsames Verständnis, welches die strategisch wichtigen Themen und die Prioritäten sind. Das hilft enorm, sowohl den eigenen Fokus richtig zu legen als auch bei der Zusammenarbeit mit weiteren Abteilungen. Natürlich besteht immer die Gefahr, dass die Dringlichkeit des Tagesgeschäfts den Fokus von den langfristig wichtigen Themen ablenkt. Mir hilft es, genügend Freiräume zu haben, um die Situation mit Abstand zu betrachten und den Fokus allenfalls neu zu justieren. Deshalb nehme ich mir regelmässig Zeit zum Reflektieren. Durch den Tag verteilt, an dedizierten Tagen oder eingebaut in den Alltag. – Das Pendeln mit dem Elektrovelo bei halbwegs akzeptablen Temperaturen ist ein hervorragendes Mittel, um den Kopf zu lüften und zu fokussieren.

“Die CFO-Rolle wird in Zukunft viel holistischer in der effizienten Kapitalallokation involviert sein.”

Wo sehen Sie Möglichkeiten, die regulatorischen Vorgaben zur Optimierung der Berichterstattung zu nutzen?

Die neuen Anforderungen bieten eine Möglichkeit, das bestehende Reporting zu hinterfragen und neu zu gestalten, was auch die Möglichkeit bietet, das bestehende Set-up zu optimieren. Bei Belimo mussten wir die Konsolidierungssoftware ablösen und nahmen dies zum Anlass, den Prozess zu optimieren und die Daten zentral zu halten. Es lohnt sich auch, die generierten Reports zu hinterfragen und anzupassen oder einzelne ganz zu streichen. Nicht alles, was sich an Reporting angesammelt hat, wird tatsächlich benötigt.

Das Leitthema dieser Reporting Times und des Geschäftsberichte-Symposiums vom 18. Juni 2025 lautet «Focus – Simplification – Dialogue». Wie gelingt Ihnen im beruflichen Alltag der Dreisprung «Fokus, Vereinfachung und Dialog»?

Es wäre vermessen zu behaupten, dass mir dies immer gelingt. Unsere Strategie definiert die Prioritäten und den Fokus. Es ist wichtig, sich immer wieder auf die Prioritäten zu besinnen und eine Frage der Disziplin, den wichtigen Themen angemessen Zeit zu widmen. Je einfacher die eher repetitiven Tätigkeiten ausgestaltet sind, desto mehr Zeit bleibt für das Wesentliche. Es hilft, Bestehendes regelmässig zu hinterfragen und Kompliziertes oder Ineffizientes zu verändern. Zeit und Fokus helfen auch beim Dialog: Ein effizienter Dialog entsteht, wenn zu Daten auch Erkenntnisse und Empfehlungen kommuniziert werden.

Was unternimmt Belimo, um im Stakeholder- Dialog den Fokus auf den strategischen Themen zu halten?

Die wichtigste Voraussetzung ist eine stringente, abgestimmte und glaubwürdige Kommunikation. Lassen Sie mich dies anhand unserer Nachhaltigkeitsstrategie aufzeigen. Unser Fokus liegt bei der Reduktion des Energieverbrauchs in Gebäuden. Die grosse Wirkung unserer kleinen Produkte –«Small Devices, Big Impact» – lässt sich anhand anschaulicher Referenzprojekte aufzeigen. So können wir vermitteln, dass Belimo einen relevanten Beitrag zur Dekarbonisierung von Gebäuden leistet. Weiter hilft auch ein übersichtlicher und fundierter Nachhaltigkeitsbericht, die Diskussion auf die wesentlichen Aspekte zu fokussieren.

Welchen Stellenwert haben Nachhaltigkeitsziele derzeit in Investorengesprächen?

Der Anteil an Fragen zur Nachhaltigkeit hat abgenommen. Jedoch ist das Verständnis der Investoren für Nachhaltigkeitsthemen gestiegen, und das Interesse an der langfristigen Positionierung von Belimo hat zugenommen.

Unternehmen sind aktuell mit einer Vielzahl geopolitischer Unwägbarkeiten konfrontiert. Wo sehen Sie die derzeit grössten Herausforderungen?

Die Unsicherheiten und die Geschwindigkeiten, mit der sich die Rahmenbedingungen ändern, haben massiv zugenommen. Planung und Investmententscheide werden dadurch viel schwieriger bis fast unmöglich. Neben einem robusten Geschäftsmodell werden Agilität und Anpassungsfähigkeit (noch) zentraler.

“Ein effizienter Dialog entsteht, wenn zu Daten auch Erkenntnisse und Empfehlungen kommuniziert werden.”

Im Jahr 2022 wurde die Belimo Climate Foundation gegründet. Die Foundation unterstützt gemeinnützige Einrichtungen und NGOs durch Sanierungsmassnahmen dabei, CO2-Emissionen zu reduzieren. Welche Erkenntnisse können Sie bisher aus dieser Initiative ziehen?

Das Interesse, Projekte mit der Belimo Climate Foundation durchzuführen, ist erfreulicherweise sehr gross. Die realisierten Projekte zeigen, dass die erwarteten Einsparungen übertroffen werden können. Das ist nicht nur ein Erfolg für die Aktivität der Stiftung, sondern zeigt das riesige Einsparpotential bei der Sanierung von Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechniksystemen in bestehenden Gebäuden.

Belimo ist 2024 der Science Based Targets Initiative (SBTi) beigetreten und hat sich dabei verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. Wie weit sind die unter SBTi definierten Ziele bisher in die Konzernsteuerung eingeflossen?

Der grösste Anteil der Emissionen unserer Produkte entsteht in der Gebrauchsphase beim Kunden. Unsere Klappenantriebe, Regelventile und Sensoren sind während vielen Jahren im Gebäude in Betrieb und benötigen für die Erfüllung ihrer Aufgabe elektrische Energie. Aus diesem Grund legen wir bei jedem unserer Entwicklungsprojekte grossen Wert auf eine energieeffiziente Auslegung und die Senkung des Eigenstromverbrauchs. Mit unseren Produkten lässt sich in Gebäuden viel Energie sparen, es ist daher natürlich, dass wir ein gutes Verständnis haben, wie wir unsere Scope 1 und 2 Emissionen reduzieren und die diesbezüglichen Projekte weit fortgeschritten in der Umsetzung sind.

Was erwarten Sie, wie sich die Rolle des CFO kurz – und mittelfristig entwickeln könnte?

Sicher scheint mir, dass sich die CFO-Rolle um neue Aufgaben und Themen im Bereich Nachhaltigkeitsberichterstattung erweitern wird. Die Finanzorganisation ist aufgrund der Reporting-Anforderungen am besten positioniert, um einen grossen Teil dieser Aufgaben zu übernehmen. Neben den zusätzlichen fachlichen Themen werden sich auch die Interaktionen erweitern, da zukünftig noch mehr Personen im Unternehmen direkt mit der CFO-Rolle zu tun haben werden. Zentral wird sein, aus diesen Daten und Fakten einen Mehrwert für das Unternehmen zu generieren und nicht nur Informationen, sondern Erkenntnisse und Handlungsanweisungen zu liefern. Ich erwarte, dass die CFO-Rolle in Zukunft viel holistischer in der effizienten Kapitalallokation involviert sein wird – nicht nur die Verwendung von Finanzkapital, sondern auch Human-, Umwelt- und weiteres Kapital.

Und zum Abschluss: Wie halten Sie eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Freizeit – wie schöpfen Sie nach anspruchsvollen Projekten neue Energie?

Eine wichtige Energiequelle ist meine Familie, mit der ich möglichst viel Zeit verbringe, sowie der Sport und meine Hobbys. Rudern ist eine meiner Passionen und eine Ausfahrt auf flachem Wasser bei Sonnenaufgang motiviert mich für den ganzen Tag.

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Zur Person: Dr. Markus Schürch

ist seit 2019 CFO der Belimo AG. Ursprünglich Chemie-Ingenieur, fand er über die Beratung den Weg in die Wirtschaft und nach dem Sprung in die Industrie bei Landis+Gyr in den Finanzbereich. Neben seiner Tätigkeit bei Belimo ist er Verwaltungsrat bei der Mobimo AG und engagiert sich als Präsident des Polytechniker Ruderclubs für den Sport.