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Shared Leadership - Geteilte Verantwortung durch moderne Führung

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Shared Leadership - Geteilte Verantwortung durch moderne Führung

Die Arbeitswelt unterliegt tiefgreifenden Veränderungen, angetrieben von Megatrends wie Digitalisierung, Arbeitskräftemangel und Nachhaltigkeit, die Innovation auch in der Art der Zusammenarbeit erfordern. Um dies zu meistern, stehen Unternehmen vor der Herausforderung, sich in Richtung einer Netzwerkorganisation zu wandeln. Dabei erfordern Trends wie der Abbau von Hierarchien, die Förderung von Selbstorganisation und Verantwortungsübernahme ein Umdenken bezüglich der Führung.

Von Lena Rudolf und Heike Bruch

Die Notwendigkeit einer tiefgreifenden Transformation der Unternehmenskultur und -struktur

Damit Unternehmen nachhaltig erfolgreich bleiben in der heutigen Arbeitswelt, bedarf es eines Wandels – weg von jahrelangen isolierten Spezialisierungen und Trennungen von Arbeitsbereichen, hin zu einer vernetzten Organisation, in der gemeinsam innovative Lösung erarbeitet werden und Verantwortung getragen wird. Ein zentraler Aspekt dieser Veränderungen betrifft die Art, wie Führung wahrgenommen und praktiziert wird. Die Teilung von Verantwortlichkeiten über Arbeitsbereiche hinweg, die Angst vor Veränderungen und der erfolgreiche Umgang mit komplexen Transformationsprozessen stellen Unternehmen vor grosse Herausforderungen. In diesem Artikel zeigen wir auf, wie Shared Leadership hilft, Silos aufzubrechen und Ressourcen zu bündeln, um diese grossen Herausforderungen zu meistern.

Shared Leadership – Das Teilen von Führungsaufgaben und Führungsrollen

Das herkömmliche Modell der vertikalen Führung, das durch eine hierarchische Führungskraft geprägt wird, genügt nicht mehr angesichts steigender Komplexitäten, schneller Verschiebungen und der Notwendigkeit für Innovation. Die Vorstellung, dass eine Person alle erforderlichen Fähigkeiten besitzt, um die komplexen Herausforderungen zu lösen, weicht zunehmend der Idee von geteilter Führung. Diese neue Herangehensweise verteilt Führungsaufgaben und -rollen auf mehrere Teammitglieder, um von den Stärken jedes Einzelnen zu profitieren (Zhu et al., 2018). Ziel dabei ist es, ganzheitlich, nachhaltig und vernetzt zu arbeiten, wobei Wissen und Verantwortung gemeinschaftlich getragen werden. Shared Leadership ermöglicht es, vielfältige Perspektiven und Fähigkeiten zu vereinen, um sie bestmöglich gemeinsam einzusetzen.

Das Zusammenspiel von hierarchischer und geteilter Führung als Erfolgsfaktor

In der Transformation zu einer vernetzten Organisation sind Unternehmen gezwungen, die herkömmlichen Normen von Hierarchie und Führung zu überdenken. Dabei ist ein hybrider Ansatz erfolgversprechend, bei dem die Vorzüge der vertikalen Führung (Orientierung von oben) bewahrt werden und diese mit den Facetten der geteilten Führungsdynamik (Teilen der Verantwortung, gegenseitiges Empowerment) zu kombinieren. Wie unsere Shared-Leadership-Studie mit mehr als 5300 Befragten aus 73 Unternehmen zeigt, bleibt vertikale Führung ein Eckpfeiler zur Förderung horizontaler Strukturen. Besonders inspirierende transformationale Führung fördert die Entwicklung von geteilter Führung (Barton & Bruch, 2021). Durch die Kombination von hierarchischen und geteilten Führungsansätzen kann die Entstehung eines Führungsvakuums verhindert werden – eine Gefahr, die durch einen abrupten Abbau von Hierarchien ausgelöst werden kann. Dabei zielt ein synergetischer, hybrider Führungsansatz darauf ab, sowohl Effizienz durch Orientierung von oben als auch Innovation durch gemeinsame Befähigung zu fördern (Rudolf, 2023).

«Erst durch das Teilen von Führung kann Verantwortung gemeinsam übernommen werden.»

Geteilte Führung durch einen gemeinsamen Sinn, geteilte Verantwortung und soziales Kapital fördern

In unserer Forschung haben wir drei weitere Hebel identifiziert, die Shared Leadership fördern:

  • Zunächst bildet eine gemeinsame Ausrichtung das Fundament für Motivation und Engagement über Generationen und Abteilungen hinweg. Ein klares Leitbild verbindet Mitarbeitende und lenkt ihre Energie auf gemeinsame Ziele (Barton & Bruch, 2021). Jedoch reicht es nicht allein, eine Vision zu entwickeln.

  • Der zweite Hebel bezieht sich auf die strukturelle Veränderung der Zusammenarbeit und der Führung, die das Ziehen an einem Strang fördert: Das Teilen von Führungsaufgaben und -rollen. Die Annahme von Verantwortung durch jedes Teammitglied ermöglicht es, dass Führung erfolgreich geteilt wird. Damit jedoch keine Überforderung entsteht, braucht es Empowerment auf allen Ebenen, also die Befähigung von Teammitgliedern, Verantwortung zu übernehmen. Dabei ist das Potenzial der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit in keinem Moment zu unterschätzen.

  • Der dritte Förderfaktor, das soziale Kapital, ermöglicht es, Ressourcen über funktionale und abteilungsübergreifende Grenzen hinweg zu bündeln, um gemeinsam holistische Lösungen zu entwickeln. Unsere Active-Ownership-Bericht zeigt, dass der positive Effekt von geteilter Führung auf innovative Leistung in den 650 Arbeitsbereichen stärker ist, wenn Unternehmen ein hohes soziales Kapital haben. Dies unterstreicht die Wichtigkeit der Vernetzung innerhalb eines Unternehmens als elementaren Hebel für einen ganzheitlichen Wandel.

Shared Leadership fördert eine kraftvolle Nutzung vielfältiger Blickwinkel und Fähigkeiten und setzt somit das volle Potenzial der Menschen frei. Dieser interdisziplinäre Führungsansatz ermöglicht uns, gemeinsam sogar die anspruchsvollsten Herausforderungen zu meistern.

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Förderung von wirksamer geteilter Führung durch vier Faktoren

  1. Guidance: Inspirierende hierarchische Führung gibt Shared-Leadership-Teams eine klare Orientierung.

  2. Shared Purpose: Durch ein gemeinsames übergeordnetes Ziel können das Denken und das Arbeiten in Silos aufgebrochen werden.

  3. Shared Responsibility: Eine klare Aufgaben- und Verantwortungsteilung verhindert, dass ein Führungsvakuum entsteht, sobald Hierarchien abgebaut werden.

  4. Social Capital: Bereichsübergreifende Projekte, Events, Kommunikations- und Kollaborationsplattformen fördern den Austausch und die Vernetzung der Menschen.


Prof. Dr. Heike Bruch

ist Professorin für Leadership an der Universität St.Gallen und leitet das Institut für Führung und Personalmanagement (IFPM). Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Leadership, Energie & Engagement, gesunde Hochleistung und neue Arbeitsformen.

 

Lena Rudolf

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Führung und Personalmanagement an der Universität St.Gallen. Als Psychologin forscht sie auf dem Gebiet Shared Leadership in ambidextren Arbeitskontexten.