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Alles drin. Nur keine Leser:innen.
Hundert Seiten, vier Sprachversionen, monatelange Abstimmungen – und trotzdem ernüchternde Zugriffszahlen. Geschäftsberichte werden produziert wie Prestigeprojekte. Gelesen werden sie, wenn überhaupt, nur im Schnelldurchlauf oder von Maschinen. Zeit für die unbequeme Frage: Für wen schreiben wir das alles eigentlich?
Von Fabian Dieziger
Wenn ich mit Corporate Publishern oder Investor Relators spreche, höre ich oft dasselbe: «Unser Geschäftsbericht ist top – aber gelesen wird er kaum.» Und dann folgt das Mantra: Compliance erfüllt, Content geprüft, Ton abgestimmt. Das Ergebnis? Ein Bericht, der regulatorisch alles richtig macht – aber kommunikativ ins Leere läuft.
Pflicht erfüllt, Ziel verfehlt
Die Vorstellung, Geschäftsberichte würden hauptsächlich von Analystinnen, Investoren und Banken gelesen, hält sich hartnäckig. Doch laut einer Studie der WU Wien stammen nur rund 30% der Leserschaft aus der Finanzwelt. Der Rest sind Journalistinnen, Bewerber, NGOs oder Mitarbeitende – also Anspruchsgruppen, die oft gar nicht im Fokus stehen.
Das Problem: Viele Berichte sind für sie schlicht unlesbar. Weil sie zu viel auf einmal sein wollen: Pflichtpublikation, PR-Instrument, Imagebroschüre. Dieser Spagat wird sprachlich zur Selbstsabotage. Die Texte sind korrekt, aber schwerfällig. Vollständig, aber unverständlich. Und spätestens im dritten Absatz steigen selbst wohlwollende Leser:innen aus.
Dabei wäre die Lösung einfach, wenn auch unbequem: Mut zur Auswahl. Mut zur Vereinfachung. Mut zum Standpunkt. Wer alles sagen will, sagt am Ende nichts – und verfehlt genau jene, die man erreichen könnte.
Zwischen KPIs und Klartext
Ein Geschäftsbericht ist längst mehr als eine Bilanz mit Begleittext. Er ist ein strategisches Statement. Wer ihn schreibt, setzt den Ton für das ganze Unternehmen, intern wie extern. Und erklärt komplexe Begriffe wie «nichtoperative Sondereffekte» oder «Scope-3-Emissionen» darum idealerweise so, dass sie auch ausserhalb des Reporting-Kosmos verständlich bleiben.
Klarheit ist kein Nebenschauplatz – sie ist das Fundament. Für Inhalte, Sprache und Struktur. Besser kommunizieren heisst besser priorisieren – leserfreundlich, strukturiert, vernetzt. Geschäftsberichte sollten nicht alles sagen, sondern das Richtige. Tools dafür gibt es längst: Glossare, Styleguides und KI-basierte Lösungen, die Sie nicht nur besser schreiben lassen und für Sie übersetzen, sondern auch auf Corporate Wording oder Zielgruppe trimmen. Vorausgesetzt, man lässt sie ran.
Mehr Relevanz, weniger Ritual
Storytelling sollte kein Bonus sein, sondern die Brücke zwischen Berichtspflicht und Bedeutung. Und wer intern nicht die Ressourcen dafür hat, holt sich am besten Unterstützung. Denn dort, wo zwischen EBITDA und Kapitalflussrechnung ein klarer Gedanke durchscheint, entsteht Relevanz. Auch dann, wenn nicht jeder Satz manuell poliert wurde. Geschäftsberichte sind nicht tot. Aber sie sterben leise, wenn sie an der Zielgruppe vorbeigeschrieben werden. Wer gesehen werden will, muss nicht lauter schreiben. Nur besser.
Supertext ist ein Schweizer KI-Anbieter mit Fokus auf Übersetzung. Als Partner des Center for Corporate Reporting unterstützt der Sprachdienstleister Unternehmen wie Novartis, BKW oder die Swisscom – mit Expertise in Technologie und Datensicherheit und über 3000 erfahrenen Linguist:innen für Entwicklung und Qualitätssicherung.
Fabian Dieziger
ist Gründer und Delegierter des Verwaltungsrats von Supertext.