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Blank ziehen im Sinne der Nachhaltigkeit: Ein Energieversorger macht sich nackig

Blank ziehen im Sinne der Nachhaltigkeit: Ein Energieversorger macht sich nackig


Verantwortung zu übernehmen ist nicht nur wichtig, wenn man etwas leistet, sondern auch dann, wenn man es (noch) unterlässt.

Beides – das Geleistete und das, was noch getan werden muss – beschreibt die WEMAG transparent in ihrem alljährlichen Nachhaltigkeitsbericht. Darin zieht das Unternehmen blank und zeigt von Kopf bis Fuss, was ein ökologischer Energieversorger dazu beitragen kann, den Klimawandel zu bremsen. Damit das in Zukunft noch effizienter gelingt, bedarf es einer Digitalisierung und Automatisierung der dafür notwendigen Kernprozesse und Kennzahlen. Ziel der WEMAG dabei: Nachhaltige Entwicklung darf nicht mehr nur jährliches Herzensthema sein, sondern muss in die alltägliche DNA des Unternehmens Einzug halten.

Interview mit Julian Höhn, Energie- und Nachhaltigkeitsmanager bei der WEMAG von Michael Kohl, Senior Manager bei BearingPoint


Foto: WEMAG/ Stephan Rudolph-Kramer

Zur Person: Julian Höhn
Julian Höhn ist seit 2011 bei der WEMAG und hat im Jahr 2014 erfolgreich sein duales Studium der Betriebswirtschaftslehre abgeschlossen. Das Thema Nachhaltigkeit war ihm zu diesem Zeitpunkt schon ein wichtiges Anliegen. So startete Höhn zunächst als Energiemanager ins Berufsleben, baute unternehmensintern ein Energiemanagementsystem auf und führte Energieaudits durch. Und weil Energie- und Nachhaltigkeitsmanagement Hand in Hand gehen, entwickelt er – mittlerweile als Energie- und Nachhaltigkeitsmanager – mit Hilfe eines fachbereichsübergreifenden Teams ein ganzheitliches Nachhaltigkeitsmanagementsystem im Unternehmen.

Zur Person: Michael Kohl

Michael Kohl arbeitet als Senior Manager bei BearingPoint und verantwortet die Serviceentwicklung in den Themenbereichen Business Intelligence, Planungs- und Berichtswesen. Konzeption und Implementierung von ganzheitlichen Berichtsplattformen gehören zu den Tätigkeitsschwerpunkten des Diplom-Volkswirts.


Ist das Thema Nachhaltigkeit schon jetzt Teil der WEMAG-DNA?

Julian Höhn (JH): Ja, die WEMAG-Gruppe setzt schon lange auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung. Nachhaltiges Wirtschaften und Handeln sind fest in unserer Unternehmensstrategie verankert – über alle Geschäftsbereiche und Produkte hinweg.

Bis Ende 2026 implementieren wir ein ganzheitliches Nachhaltigkeitsmanagementsystem. Die Herausforderungen bestehen dabei vor allem darin, eine Vielzahl an dezentralen Prozessen zu bündeln, die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens ganzheitlich zu betrachten und dabei steigende gesetzliche, gesellschaftliche und vor allem eigene Anforderungen im Blick zu behalten.

Dabei hilft uns, dass wir mit dem bereits etablierten Energiemanagementsystem und unserer bisherigen Nachhaltigkeitsberichterstattung ein gutes Fundament aufgebaut haben, auf das wir jetzt bauen können.

Jeder Fachbereich und alle Mitarbeitenden werden einbezogen. Jede und jeder kann ihren oder seinen Beitrag leisten und trägt auf unterschiedliche Art und Weise zum Gesamtergebnis bei. Dabei wollen wir vor allem prozessorientiert agieren, Synergien nutzen, Aufwände minimieren, Erfolge erzielen und uns an messbaren Zielen und Kennzahlen orientieren.

Man könnte sagen: Unsere Handschrift wird Jahr für Jahr nachhaltiger. Die Nachhaltigkeitsstrategie verwebt sich tiefer und tiefer in die WEMAG-DNA, ist aber noch nicht vollständig dort integriert und damit gelebter Alltag. Genau da wollen wir hin.


Ist Nachhaltigkeit mehr als nur Klimaschutz?

JH: Ganz klar ist Nachhaltigkeit für uns mehr als nur Klimaschutz. Hinter dem Kürzel «ESG» stecken bekanntlich neben Umwelt auch die Bereiche Soziales und Governance. Jedes dieser Themen betrachten wir. Dabei orientieren wir uns an den 17 Zielen zur nachhaltigen Entwicklung der UN. Allein an dieser Vielzahl sehen wir schon, wie komplex das Thema Nachhaltigkeit ist.

Und es wird noch komplexer, denn wir bei der WEMAG haben uns das Ziel gesetzt, Prozesse effizienter zu gestalten, damit sie grösseren Nutzen erzielen – auch im Sinne der Nachhaltigkeit.

Wir betrachten dabei vor allem Kennzahlen, die messbar sind. Das öffentliche Interesse – auch das von Kapitalgebern – fokussiert zunehmend das Thema Nachhaltigkeit. Es wird zu Recht verstärkt darauf geachtet, wie nachhaltig ein Unternehmen wirklich ist. Dafür braucht es belastbare Zahlen. Auch deshalb ist unser Nachhaltigkeitsmanagement im Finanzbereich angesiedelt. Dort ist man es gewohnt «in Euro» bzw. in operativen Kennzahlen zu denken und zu arbeiten.


Nach vier Ausgaben Ihres Nachhaltigkeitsberichtes streben Sie nun die nächste Ausbaustufe an und implementieren eine digitale Berichtsplattform in SAP. Was versprechen Sie sich davon?

JH: Wir haben einen Partner gesucht, der mit uns zusammen ein digitales Nachhaltigkeitsreporting einführt und dabei nicht nur an Zahlen für den Jahresabschluss oder Lagebericht, die Erfüllung der EU-Taxonomie oder CSRD-Berichtspflicht denkt. Nicht, dass dies nicht wichtig wäre, ganz im Gegenteil! Uns ging es jedoch vor allem um die Fokussierung auf die Prozesse im Unternehmen - und zwar für jeden Bereich, der dafür involviert werden muss.

Wir versprechen uns von der digitalen Berichtsplattform die Schaffung einer guten Datengrundlage. Ausserdem wollen wir ein zentrales und dezentrales Dashboard aufbauen, das jeder Bereich sich individuell einrichten kann – je nach Bedarf aber auch mit sinnvollen zentralen Vorgaben, die es zu erfüllen gilt.

Wir erhoffen uns, dass jeder Fachbereich den Mehrwert der Plattform erkennt und wir nach ihrer Implementierung gut aufgestellt sind für die Zukunft. Erklärtes Ziel ist das permanente Abbild unserer nachhaltigen Entwicklung, sozusagen ein Nachhaltigkeitsbericht auf Knopfdruck. Manuelle Prozesse, jährliche Befragungen von Mitarbeitenden neben ihrem Tagesgeschäft sollen der Vergangenheit angehören. Nachhaltige Entwicklung soll vielmehr Teil des Tagesgeschäfts werden und zum Arbeitsalltag dazugehören als fester Bestandteil unserer DNA.

Unter dem Stichwort «Sustainability Analytics» gelten ganzheitliche digitale Plattformen als Voraussetzung für innovative ESG-Berichterstattung. Welche kritischen Hürden sehen Sie auf dem Weg dorthin?

Michael Kohl: Zum einen muss man die Verfügbarkeit von ESG-relevanten Daten gründlich analysieren. Oftmals benötigt man dafür ganz andere Quellen als jene, die die IT für das operative oder finanzielle Berichtswesen ohnehin an bestehende Data Warehouses angebunden hat.

Zum anderen empfehlen wir die Definition eines ganzheitlichen, langfristigen Zielbilds, das dem Anspruch eines ESG Performance Managements und Controlling gerecht wird – also jenseits der rein Vergangenheits-bezogen Berichterstattung auch die Steuerung sowie Priorisierung von Maßnahmen erlaubt. Das heißt nicht, dass man das alles schon im ersten Schritt erreicht. Zum iterativen Vorgehen bei der Implementierung eignen sich hier daher erst recht agile Methoden, die häufige Inspektion und Integration von Feedback erleichtern.


WEMAG im Portrait

Die Schweriner WEMAG AG ist ein bundesweit aktiver Öko-Energieversorger mit regionalen Wurzeln und Stromnetzbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern sowie Teilen Brandenburgs und Niedersachsens. Zusammen mit der WEMAG Netz GmbH ist sie für ca. 15.000 Kilometer Stromleitungen verantwortlich, vom Hausanschluss bis zur Überlandleitung.

Das Energieunternehmen liefert seinen Privat- und Gewerbekunden neben Strom, Erdgas und Netzdienstleistungen auch die Planung und den Bau von Photovoltaik- und Speicheranlagen, Elektromobilität, Internet, Telefon sowie Digital- und HD-Fernsehen aus einer Hand.

Die 1997 gegründete Telekommunikationsgesellschaft WEMACOM betreibt in Westmecklenburg ein umfangreiches Telekommunikationsnetz und baut mit Partnern Glasfasernetze für Privat- und Geschäftskunden in der Region.

Regionale Verbundenheit, Umweltschutz und Nachhaltigkeit bestimmen das Handeln der WEMAG AG. Die WEMAG AG leistet erhebliche Investitionen in erneuerbare Energien, berät zu Fragen der Energieeffizienz und bietet die Möglichkeit der Bürgerbeteiligung über die Norddeutsche Energiegemeinschaft eG. Die WEMAG AG befindet sich seit Januar 2010 im Mehrheitsbesitz der Kommunen ihres Versorgungsgebietes.

Bearing Point im Portrait

BearingPoint ist ein unabhängiges Management- und Technologie-Beratungsunternehmen mit europäischen Wurzeln und globaler Reichweite und unterstützt weltführende Unternehmen und Organisationen in mehr als 75 Ländern. Die Organisation ist in drei Hauptgeschäftsfelder strukturiert. Consulting mit Kernkompetenz in spezifischen Marktsegmenten und Service-Bereichen; Business Services und Software-Lösungen.

Im Service „Finance & Risk“ sind die Kompetenzen für die Modernisierung der Finanzberichterstattung sowie die Integration von Nachhaltigkeitskennzahlen in die Berichterstattung gebündelt. In der jüngeren Vergangenheit steht dabei die Entwicklung von ganzheitlichen Steuerungsansätzen im Vordergrund, die Nachhaltigkeit als fundamentalen Bestandteil der Unternehmenssteuerung (und damit auch von Planung und Reporting) begreifen.