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Finfluencer: neue Intermediäre mit starker Wirkung

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Finfluencer: neue Intermediäre mit starker Wirkung

Finfluencer erreichen auf Social Media Millionen Follower. Sie prägen den Diskurs zum Kapitalmarkt und beeinflussen die Haltung und das Verhalten vor allem jüngerer Generationen. Damit werden sie auch für Unternehmen zu relevanten Stakeholdern. Die FH St. Pölten untersuchte mit der Agentur Paradots den Einfluss von Finfluencern auf ihre Follower. Zusammen mit der Universität Leipzig und der HHL Leipzig beleuchtet die FH St. Pölten nun den Finfluencer-Markt.

Von Monika Kovarova-Simecek

Spätestens seit 2020 ist die GenZ auch als Investorengruppe ein Thema. Der rasante Anstieg der unter 29-jährigen unter den Aktionären im ersten Pandemiejahr (+67%) und die geschätzte Verfünffachung ihres Vermögens bis 2031 machen sie zu relevanten IRStakeholdern. Mit ihrer digitalen Sozialisation hat die GenZ aber auch das Potenzial, die Finanzkommunikation massiv zu verändern. Dabei spielen Finfluencer eine beachtenswerte Rolle. Sie prägen den kapitalmarktbezogenen Diskurs und erreichen beeindruckende Reichweiten wie beispielsweise finanzfluss.de mit 371’000 Followern auf Instagram und 1,16 Mio. auf YouTube.

Heterogenes Feld mit etablierten Playern

Das deutschsprachige Finfluencer-Feld ist gross und mitunter schwer zu überblicken. Im Mai 2023 gab es rund 190 aktive Finfluencer mit 1000+ Followern auf mindestens einem sozialen Netzwerk (berücksichtigt wurden Instagram, YouTube, Facebook und Twitter). Die meisten (67%) sind auf Instagram präsent, wo sie 4,5 Mio. Follower erreichen. Ähnlich hohe Reichweite (4 Mio. Follower) erzielen auch Finfluencer auf YouTube. Facebook und Twitter liegen mit ca. 700’000 bzw. 400’000 Followern deutlichen darunter, sind aber bei Spezialthemen nicht zu unterschätzen. Die meisten (85%) Follower folgen aber mehreren, ein Drittel sogar zehn oder mehr Finfluencern.

Der kapitalmarktbezogene Meinungsmarkt ist alles andere als homogen. Bei den Reichweiten wie auch bei der thematischen Positionierung offenbart sich eine grosse Vielfalt. Auf Instagram und YouTube dominieren einige wenige Player (+100’000 Follower). Insgesamt generieren die sogenannten Macro-Finfluencer – 11 Instagram- und 8 YouTube-Accounts – ein Publikum von 5,2 Mio. Followern. Auch Micro-Finfluencer (10’000 bis 100’000 Follower) sind verstärkt auf Instagram und YouTube vertreten. Die grösste Gruppe bilden die Nano-Finfluencer (< 10’000 Follower), die sich hingegen vor allem auf Twitter und Facebook positionieren.

Finfluencer als Promoter von Finanzkompetenz

Wenn auch die thematischen Grenzen nicht trennscharf sind, lassen sich klare Schwerpunkte erkennen: 31% der Finfluencer konzentrieren sich auf Geldanlage, während Finanzbildung (26%) das zweitgrösste thematische Cluster bildet. Langfristiger Vermögensaufbau ist für junge Generationen ein wichtiger Grund, sich mit Finanzthemen zu beschäftigen. Diesem Thema widmen sich 18% der Finfluencer. Die Top 25 Finfluencer, darunter bodoschaefer, finanzfluss, frank_thelen, finanztip, Finanzrebell, Investment Punk oder madamemoneypenny setzen auf dieses breite Themenspektrum. Micro- und Nano-Finfluencer fokussieren eher spezifische Bereiche wie Immobilien, Kryptowährungen, P2P-Kredite, finanzielle Unabhängigkeit oder Minimalismus und adressieren bewusst kleinere Communities.

(Un)berechtigte Skepsis

Paradoxerweise werden Finfluencer ausgerechnet wegen Social Media vielfach noch immer nicht erst genommen. Vor allem aufgrund der unterhaltenden Art, mit der sie Kapitalmarktinformationen vermitteln, werden sie als unseriös oder desinformativ abgetan. Tatsächlich geht ihre Rolle deutlich über Unterhaltung hinaus, obwohl ihre Bedeutung nicht zu leugnen ist: 69% der Follower (n=232) sagen, dass sie Finfluencern auch deshalb folgen, weil sie ihren Content unterhaltsam finden. In erster Linie folgen sie Finfluencern allerdings, um sich über aktuelle Entwicklungen am Kapitalmarkt zu informieren (76%) und Neues über Finanzen und Investments zu lernen (72%). Sie wollen Informationen zu Aktien (84%), Analysen (79%) und allgemeine Finanztipps (77%). Konkrete Kaufempfehlungen – wie sie auch aus klassischen Medien bekannt und keinesfalls ein reines Phänomen von Social Media sind – stehen dabei weder für Finfluencer noch für Follower im Fokus. Finfluencer sorgen vor allem durch ihre Fähigkeit, komplexe Themen verständlich zu erklären, für Orientierung und Inspiration. Für die Financial Literacy ist diese Entwicklung durchaus ein Vorteil. Ein weiterer ist, dass dank weiblicher Finfluencer wie madamemoneypenny, finanzheldinnen, aktiengram oder investorella Finanzen als reines Männerthema entzaubert wird.

Generelle Skepsis gegenüber Finfluencern ist aber auch deshalb unberechtigt, weil gerade jüngere Generationen Wert auf Vielfalt, Qualität und Seriosität der Informationen legen. Finfluencer stellen für die meisten eine zusätzliche und nicht die einzige Informationsquelle dar. Im Ranking der wichtigsten Quellen belegen Finanzportale und Online-Geschäftsberichte die ersten Plätze noch vor Social Media. Zudem erwarten gut informierte Personen auch bei Finfluencern Transparenz und Professionalität.

In Anbetracht dessen ist die Auseinandersetzung mit Finfluencern aus unternehmerischer Sicht mehr als geboten. Unternehmen, insbesondere solche mit vielen Privataktionären wie die Deutsche Telekom, erkennen bereits ihre Bedeutung und treten mit Finfluencern gezielt in einen Dialog. Auch die diesjährige Stuttgarter Invest bestätigte mit einer starken Präsenz von Finfluencern ihre Relevanz. Den Meinungsmarkt im Auge zu behalten, wird zu einer zentralen Aufgabe der Kommunikation und von Investor Relations. Ein frühzeitiges Verständnis für das Feld der Finfluencer kann ein Startvorteil sein.

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Monika Kovarova-Simecek

leitet den Master Studiengang Digital Business Communications am Department Digital Business & Innovation der FH St. Pölten. Sie ist Initiatorin des Symposiums Financial Communications und forscht unter anderem zur digitalen Finanzkommunikation und Corporate Reporting.


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