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Überwindung der Wahrnehmungslücke: Über die Transformation zu einer nachhaltigeren Marke in herausfordernden Industrien

Überwindung der Wahrnehmungslücke: Über die Transformation zu einer nachhaltigeren Marke in herausfordernden Industrien

Unternehmen sehen sich zunehmend dazu gedrängt, Nachhaltigkeit nicht nur operativ umzusetzen, sondern diese auch durch effektive Kommunikation in ihre Marke zu übersetzen. Viele kämpfen jedoch mit Branchenvorurteilen und scheitern daran, nachhaltige Tätigkeiten wirksam zu kommunizieren. Wie können Vorurteile überwunden werden und welche ihrer Nachhaltigkeitsinitiativen sollten Unternehmen hervorheben, um eine nachhaltigere Wahrnehmung zu fördern?

von Oliver Brockschmidt

Um dieser Frage nachzugehen, führten das Institut für Marketing & Customer Insight und das Institut für Wirtschaft und Ökologie der Universität St.Gallen in Zusammenarbeit mit der Publicis Groupe Switzerland und Grownate im Rahmen der SCOPES Studie eine Nachhaltigkeitsbefragung durch. Im Rahmen dieser Studie wurden 5555 Menschen in der Schweiz zur Nachhaltigkeit von 100 Unternehmen befragt. Dabei zeigt sich, dass die wahrgenommene Nachhaltigkeit einer Branche einen höchst signifikanten Einfluss auf die Wahrnehmung der dazugehörigen Unternehmen hat. So führte im Rahmen einer Regressionsanalyse eine Erhöhung der wahrgenommenen Branchennachhaltigkeit um eine Einheit zu einer Erhöhung der wahrgenommenen Markennachhaltigkeit um 0.316 (p<.001). Wird also eine Branche als wenig nachhaltig wahrgenommen, wie es beispielsweise bei der Chemie- & Pharmabranche, aber auch den Online-Versandhändlern der Fall ist, so hat dies bereits einen negativen Einfluss auf die nachhaltige Wahrnehmung der dazugehörigen Unternehmen. Solche Verallgemeinerungen wirken sich insbesondere dann auf die Bewertung aus, wenn kein konkretes Wissen über das Unternehmen vorliegt.

Abbildung 1: Branchen Nachhaltigkeitsranking (Likert-Skala 1-7, wobei 7 für «sehr nachhaltig» und 1 für «überhaupt nicht nachhaltig» steht)

Um den Einfluss solcher Verallgemeinerungen zu reduzieren und damit nicht auf Basis der Branche be- oder gar verurteilt zu werden, müssen Unternehmen konkretes Wissen vermitteln und damit ein Bewusstsein über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen schaffen. So zeigen die Ergebnisse einer Mediationsanalyse, dass der Einfluss der Nachhaltigkeitswahrnehmung der Branche auf jene des Unternehmens durch eine Erhöhung der CSR-Awareness ausgehebelt oder zumindest reduziert werden kann.

Doch über welche Informationen sollten Unternehmen aktiv kommunizieren? Welche Inhalte wirken sich am stärksten auf die nachhaltige Wahrnehmung des Unternehmens aus?


Die ökologische Wahrnehmung dominiert

Die Teilnehmenden der Studie wurden hierzu gebeten die Unternehmen in Bezug auf ihre übergeordnete Nachhaltigkeit sowie ihre Performance auf der ökologischen, sozialen und ökonomischen Dimension zu bewerten. Mittels einer lmg Metrik konnte gezeigt werden, dass die wahrgenommene ökologische Unternehmensperformance 46 % der Wahrnehmung als nachhaltiges Unternehmen bestimmt. Die ökologische Dimension hat damit den stärksten Einfluss auf die übergeordnete Nachhaltigkeitswahrnehmung eines Unternehmens. Dabei wird aber ebenfalls deutlich, dass auch die ökonomische und soziale Dimension mit je über 25 % durchaus von hoher Relevanz sind. Eine ausschliessliche Fokussierung der Massnahmenkommunikation auf ökologische Themen reicht somit nicht aus. Eine ausgewogene Nachhaltigkeitskommunikation sollte daher sichergestellt werden, um Skepsis gegenüber der Ernsthaftigkeit der ganzheitlichen Nachhaltigkeitstransformation vorzubeugen.

Abbildung 2: Einfluss der Nachhaltigkeitsdimensionen auf die Wahrnehmung der Marken-Nachhaltigkeit. (Likert-Skala 1-7)


Informationen müssen greifbar sein!

Während die ökologischen Abschnitte von Nachhaltigkeitsreports meist eher technisch orientiert sind, werden von den Teilnehmenden der Befragung insbesondere tangible Themen wie die Abfallvermeidung und die Minimierung des Ressourcenverbrauchs als höchst relevant eingestuft. Die Reduktion von CO2 Emissionen oder des Energieverbrauchs werden zwar als wichtig eingeschätzt, deren Einfluss auf die tatsächliche Nachhaltigkeitswahrnehmung ist jedoch verhältnismässig gering. Um die Wirksamkeit der Kommunikation zu gewährleisten, gilt es daher, die Greifbarkeit kommunizierter Inhalte sicherzustellen.

Analog verhält es sich bei den sozialen Kriterien. Hierbei dominiert die Nähe zum Lebensalltag der Menschen. So waren menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Gesundheit & Wohlbefinden die Haupttreiber einer nachhaltigen Unternehmenswahrnehmung. Themen wie Innovation & Weiterentwicklung, Gleichberechtigung von Geschlechtern oder die Bedingungsgleichheit wurden zwar als relevant bewertet, deren tatsächlicher Einfluss auf die übergeordnete Nachhaltigkeitswahrnehmung der Unternehmen war unter den sozialen Kriterien jedoch am geringsten. Unternehmen sollten daher insbesondere Massnahmen kommunizieren, die den grössten Bezug zum Lebensalltag der Menschen haben.


Kenne deinen Kunden!

Wer eine spezifische Zielgruppe ansprechen will, sollte wissen, wie sich diese charakterisieren lässt. Die Studienergebnisse zeigen, dass die Relevanz sozialer und ökologischer Themen abhängig von Demographie und der Sinus-Milieu-Verortung der Zielgruppen ist. Themenschwerpunkte sollten daher zielgruppenspezifisch gewählt werden. Ein Beispiel solcher Bewertungsunterschiede zeigt das Schaubild, in dem die Relevanz der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeitsthemen auf Basis verschiedener Bildungsniveaus dargestellt wird.

Abbildung 3: Angegebene Relevanz sozialer und ökologischer Massnahmen. (Likert-Skala 1-7)

Zertifizierungen können helfen!

Die Studienergebnisse zeigen, dass die Zertifizierung der nachhaltigen Aktivität einen positiven Einfluss auf die nachhaltige Wahrnehmung von Unternehmen haben. Darüber hinaus wird deutlich, dass diese sich besonders positiv bei Unternehmen aus weniger nachhaltig wahrgenommenen Branchen auswirken. Je negativer eine Branche in Bezug auf deren Nachhaltigkeit wahrgenommen wird, desto wichtiger ist es, dass Unternehmen dieser Branchen auch über die Zertifizierung ihrer Aktivitäten spricht.

Abbildung 4: Auswirkungen unternehmerischer Zertifizierungs-Performance. (Likert-Skala 1-7)

Wie die Ergebnisse der Studie zeigen, sollten operative Bemühungen zielgerichtet kommuniziert und dabei Faktoren wie die Reputation der Branche berücksichtigt werden. Auf diese Weise können externe Einflüsse mit fokussiertem Mehreinsatz überwunden und die Lücke zwischen Wahrnehmung und Realität geschlossen werden.

Mehr zu dem Thema findet sich unter www.scopes.report.


Oliver Brockschmidt

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Marketing & Customer Insight der Universität St. Gallen. In seiner Dissertation beschäftigt er sich mit der nachhaltigen Markentransformation von Unternehmen in CO2 intensiven Industrien. Zuvor arbeitete er bei einer Unternehmensberatung in der Energiewirtschaft und befasste sich dort schwerpunktmässig mit der energetischen Konzeptionierung & Optimierung kritischer Infrastruktur.