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Überblick und Lesetipps: Neue Offenlegungs- und Sorgfaltspflichten zu nicht-finanziellen Belangen in der Schweiz (KVI)

Überblick und Lesetipps: Neue Offenlegungs- und Sorgfaltspflichten zu nicht-finanziellen Belangen in der Schweiz (KVI)

Mit der Umsetzung des indirekten Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungs-Initiative (KVI) sind in der Schweiz seit Anfang 2022 neue Berichterstattungs- und Sorgfaltspflichten zu nicht-finanziellen Themen in Kraft. Das Aktienrecht (OR) wurde entsprechend angepasst. Ab Geschäftsjahr 2023 kommen die Pflichten zur Anwendung: das heisst, betroffene Unternehmen müssen im Jahr 2024 erstmals entsprechende Berichte veröffentlichen.

von Irene Perrin

Anforderungen steigen – auch für Verwaltungsräte

Die Anforderungen an die Unternehmen werden dadurch deutlich erhöht -  und gemäss Compliance-Spezialist Daniel Bühr oft noch unterschätzt: «Der [nicht-finanzielle] Bericht, der auch alle Tochtergesellschaften weltweit erfasst, muss durch den Verwaltungsrat genehmigt und unterzeichnet und an der Generalversammlung durch die Aktionäre genehmigt werden. Wenn im Bericht vorsätzlich oder fahrlässig falsche Angaben gemacht werden, dann drohen Strafverfahren und Busse.» Nicht nur für das Reporting, auch für die zugrunde liegenden Managementsysteme wird die Messlatte deutlich erhöht.

Betroffene Unternehmen sind also gefordert, sich rasch mit der Umsetzung des indirekten Gegenvorschlags KVI zu befassen, Lücken zu schliessen und die nicht-finanzielle Berichterstattung gleich rigoros wie die Finanzberichterstattung anzugehen.

Gegenvorschlag KVI: Überblick

Was beinhaltet der Gegenvorschlag zur KVI eigentlich? Er bringt Neuerungen in drei Bereichen:

  1. Nicht-Finanzielles Reporting
    Die Bestimmungen zur nicht-finanziellen Berichterstattung orientieren sich an der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) der EU, und es soll jährlich Rechenschaft über Umwelt- und Sozialbelange, Arbeitnehmerthemen, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung der Korruption abgelegt werden. Ein Standard, dem das Reporting zu folgen hat, wird nicht vorgegeben; ebenso wenig ist eine Prüfpflicht vorgesehen.

  2. Sorgfaltspflichten zu Kinderarbeit und Konfliktmineralien
    Neben dieser Berichterstattungspflicht unterliegen gewisse Unternehmen neu auch Sorgfaltspflichten zu Kinderarbeit und Konfliktmineralien sowie entsprechenden Transparenzvorschriften. Die entsprechende Verordnung (VSoTr) ist seit Januar 2022 ebenfalls in Kraft und sieht für den Bereich Konfliktmineralien eine Prüfpflicht vor.

  3. Verbindliche Klimaberichterstattung gemäss TCFD ab 2023
    Als weiteres neues Element wird per 1. Januar 2023 eine Verordnung über die Berichterstattung über Klimabelange in Kraft treten. Die Vernehmlassung dazu wurde im Juli abgeschlossen, und der Ergebnisbericht ist in Q4 zu erwarten. Die Verordnung setzt auf die Vorgaben der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) und macht verbindliche Empfehlungen zur TCFD-Umsetzung.

EU-Regulierung: Schweizer Pflicht bereits überholt?

Gegenwärtig werden in der EU verbindliche «European Sustainability Reporting Standards» (ESRS) erarbeitet, die durch die neue «Corporate Sustainability Reporting Directive»  (CSRD) ab 2024 verbindlich werden. Die CSRD wird die NFRD, welche Basis für das neue Schweizer Gesetz ist, ablösen. Die CSRD und die ESRS gehen in einigen Punkten über das, was in der Schweiz verlangt wird, hinaus. Ebenso wurde im Februar 2022 ein Entwurf einer EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive  veröffentlicht, welche höhere Anforderungen an die Sorgfaltspflichten stellt als das Schweizer Recht. Unternehmen mit massgeblichen Aktivitäten in der EU müssen bei der Umsetzung also die weitergehende EU-Regulierung im Auge behalten.

Weiterlesen? Hier finden Sie interessante Artikel im Netz

  • Chronologie und Gesetzestexte zur KVI finden Sie auf der Seite des Bundes

  • Die Verordnung zur Klimaberichterstattung (welche gemäss Vernehmlassung noch überarbeitet wird) finden Sie hier.

  • Einen guten Überblick über die neuen Offenlegungs- und Sorgfaltspflichten finden Sie in der Übersicht von KPMG oder der Übersicht von BDO. Eine englische FAQ-Übersicht gibt es von EY.

  • Die Einschätzung eines Compliance-Spezialisten zu möglichen strafrechtlichen Konsequenzen für Verwaltungsräte finden Sie hier.

  • Einen Einblick inkl. Fallbeispiel zu offenen Fragen bei der Umsetzung der neuen Anforderungen an die Sorgfaltspflicht finden Sie hier.

Dr. Irene Perrin

ist Senior Consultant beim CCR und verantwortet die Betreuung und Beratung von Firmenmitgliedern, das Themen-Management sowie das Trendscouting. Zuvor sammelte sie während mehrerer Jahre Erfahrung in den Bereichen Strategie, Nachhaltigkeit und Reporting in einer Beratungs-Boutique und verantwortete zuletzt die Nachhaltigkeitsberichterstattung eines kotierten Unternehmens. Irene studierte Kommunikation und Wirtschaft und promovierte an der Universität Zürich.


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