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Grüne Geschichten – Storytelling für einen guten Zweck

Es ist nicht neu, dass Unternehmen stärker auf Nachhaltigkeit setzen. Sie verwenden recycelte Materialien, fördern biologischen Anbau, unterstützen lokale Betriebe. Doch überzeugen diese Markenbotschaften? Die KundInnen werden kritischer, lassen sich nicht mehr von grünen Slogans blenden. Mit Storytelling entstehen überzeugende Konzepte, die Emotionen auslösen und dafür sorgen, dass Nachhaltigkeit zum essenziellen Attribut der Markenidentität wird.

von Nora Feist

«100% vegan, 100% Bio, 100% Fairtrade, 100% klimaneutral.» – Viele Produkte, die wir heutzutage im Supermarktregal finden, sind überfüllt mit diesen Labels und sollen den Eindruck eines vermeintlich gesunden oder nachhaltigen Resultats vermitteln. Aussagen wie «frei von BPA, Mikroplastik, Palmöl, Aluminium oder Silikonen» sind ebenfalls gängige Werbeversprechen auf den Verpackungen. Doch woraus genau besteht die Ware dann? Wo kommt sie her? Wie wird sie hergestellt? Uns KäuferInnen soll die Entscheidung erleichtert werden, welches Shampoo oder welche Jeans wir mit nach Hause nehmen – wir wollen und sollen uns schliesslich gut fühlen mit den Artikeln. Doch handeln wir richtig? Können wir den Unternehmen vertrauen? Inwiefern handeln sie tatsächlich nachhaltig und übernehmen soziale und ökologische Verantwortung?

Die Reise vom Storytelling zum Storyliving

«Nachhaltigkeit ist ein Prozess – wir dürfen nicht aufhören, uns zu bemühen und besser zu werden! Denn wir tun das nicht für unser gutes Gewissen, sondern für uns, unsere Erde und die nachfolgenden Generationen, denen wir diese hinterlassen werden», so Dirk Rossmann, Geschäftsführer und Gründer der Rossmann Drogeriekette. Entscheidend an dieser Aussage ist der Aspekt des «Tuns». Neben den ganzen Labels und Zertifikaten kommt es schliesslich auf das Handeln jedes Einzelnen – Mensch wie Unternehmen – an. Storytelling hat uns gelehrt, dass es auf die Werte ankommt und wie diese in den Firmen gelebt und nach aussen kommuniziert werden. Zum Beispiel indem Mitarbeitende authentische Geschichten über sich und ihre/n ArbeitgeberIn erzählen und die Zielgruppen emotional und langfristig an die eigene Marke binden. Doch nun geht es einen Schritt weiter. Die zunehmend aufgeklärten und kritischen VerbraucherInnen möchten Taten sprechen sehen – gemeint ist Storyliving.

Schritt für Schritt zum wachsenden Wald

So setzt sich die Sneaker-Marke Saye zum Beispiel mit dem Motto Meaningful Steps to inspire Change seit 2018 aktiv für Nachhaltigkeit und den Schutz von Wäldern ein. Der Weg dahin? Für jedes Paar verkaufte Turnschuhe werden zwei Bäume in Australien, im Amazonas oder in Indien gepflanzt. Schon knapp 84 000 neue Pflanzen konnten so in den Wäldern gedeihen. Eine Investition in die Zukunft und die folgenden Generationen. Die Besonderheit hierbei ist, dass die KundInnen in Echtzeit auf der Website verfolgen, wie die «Saye-Wälder» wachsen, und sogar die Location der Bäume einsehen können. Einblicke und Taten auf einem ganz neuen Level. Die Marke tritt hier als Mentor für ihre Zielgruppe auf. Sie setzt sich selber für die Umwelt ein und inspiriert zugleich ihre HeldInnen dazu, selbst aktiv zu werden.

Die Gesichter hinter den Produkten, ob nah oder fern

Ein schönes Beispiel, wie Brand Storytelling die Umsetzung von grünen und sozialen Visionen begleiten und kommunizieren kann, liefern uns die Armedangles. Mit ihrem Claim Don't accept the system – change it animiert die Fashion-Brand ihre KundInnen, sie zu unterstützen und bei ihrer Mission zu begleiten. Dafür erzählt das Modelabel die Geschichten hinter den Produkten – woher sie kommen und wer sie hergestellt hat. Vom Baumwollbauern Bhachubhai in Indien und seiner Frau Kakuben bis zur Arbeit der Strickmeisterin Filiz aus Istanbul. Die Gesichter dieser Menschen schaffen Nähe und Emotionen. Die MitarbeiterInnen werden so zu individuellen ErzählerInnen, die die Unternehmenskultur besonders greifbar machen und KundInnen auf der ganzen Welt bewegen.

Transparenz von Übersee bis nach Hause

Exotische Gewürze aus «Wo der Pfeffer wächst»? Die Gründerin von Yummy Organics möchte mit diesem Ausdruck aufräumen. Sie bezieht ihre Gewürze von Kleinbauern und -bäuerinnen in Sri Lanka, Marokko und Österreich. Laura Brandt setzt sich dafür ein, dass die LandwirtInnen vor Ort fair bezahlt und die Pflanzen so nachhaltig wie möglich angebaut werden. Mindestens genauso wichtig ist ihr der Transport. Die Kräuter kommen CO2-neutral nach Deutschland. Anhand des Tracking-Codes können die KäuferInnen den langen Weg ihrer Gewürze Schritt für Schritt mitverfolgen. Dazu kommt ein ganz besonderes Geschäftsmodell. Die KundInnen entscheiden selbst über den Preis für Zimt, Chili, Ingwer und Pfeffer. Sie bekommen die Information, ab welchem Preis die ProduzentInnen fair bezahlt werden können und die Kosten der Gewinnung und Verarbeitung gedeckt sind. 100% Transparenz als Grundlage für eine bewusste und vertretbare Entscheidung. Das Bedürfnis nach Selbstbestimmung wird den KäuferInnen hiermit gelassen.

Fazit: Ganzheitliches und faktenorientiertes Storytelling weckt Emotionen

Die Beispiele zeigen, dass gutes Storytelling und Storydoing seine Zielgruppen nicht nur mit einer Kampagne erreicht. Die wohl grösste Herausforderung liegt darin, den kompletten Markenauftritt auf allen Kanälen mit Storytelling zu verbinden. Das beginnt bei der Landingpage und der Unternehmensgeschichte bis hin zum roten Faden, der sich durch Werbebotschaften und Social-Media-Auftritte zieht. Die Menschen innerhalb und ausserhalb des Unternehmens erleben täglich grosse und kleine Abenteuer, die die Identität der Marke ausmachen und die gelebten Werte nach aussen tragen. Neben Fakten zum Umweltschutz und objektiven Darstellungen fungieren authentische Menschen, die im Hintergrund agieren, als ExpertInnen, um die Geschichte weiterzuerzählen. Gerade jetzt, wo immer mehr Menschen Teil einer grünen Bewegung sein und ihren Beitrag leisten möchten, besteht in einer fesselnden Story die grösste Chance, sich abzugrenzen. Indem nicht das Produkt im Vordergrund steht, sondern die KundInnen direkt in ihrem Lebensstil angesprochen werden, werden sie eher zu einer nachhaltigeren Lebensweise ermutigt.

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Nora Feist ist mit Miriam Rupp Geschäftsführerin von Mashup Communications, der Berliner Agentur für PR und Brand Storytelling. Als HR-Verantwortliche konzentriert sie sich auf das Employer Branding. Daneben plant und koordiniert die erfahrene Kommunikationsexpertin Vorträge sowie Workshops, in denen sie und ihr Team Insights und Inspirationen rund um Markengeschichten teilen. Mit der Philosophie «Wir lieben es, neue Geschichten zu erzählen» wecken sie schlummernde Erzählpotenziale in Unternehmen, die neue Wege gehen.