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Erkenntnisse aus dem Corporate Reporting Monitor 2021 - Unstimmigkeiten in der digitalen und Nachhaltigkeitsberichterstattung

(Der Artikel erschien im Oktober 2021 in englischer Sprache in der 19. Ausgabe der Fachzeitschrift “The Reporting Times”.)

Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass Digitalisierung und Nachhaltigkeit zwei zentrale Herausforderungen für die aktuellen Strategien und Praktiken der Unternehmensberichterstattung darstellen. Noch herrscht viel Unsicherheit sowohl mit Blick auf ideale digitale Berichtsformate als auch auf allgemein akzeptierte Standards der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Der diesjährige Corporate Reporting Monitor beleuchtet aktuelle Trends, aber auch einige Ungereimtheiten in der Art und Weise, wie Unternehmen in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich mit diesen beiden Herausforderungen der Berichterstattung umgehen.

Von Christian P. Hoffmann, Lea Knabben, Monika Kovarova-Simecek und Thomas Scheiwiller

Der Corporate Reporting Monitor ist die erste jährliche internationale Studie, die Unternehmen zu ihrer Reporting-Strategie befragt. Die 2019 vom Center for Corporate Reporting gestartete Studie wurde 2021 zum dritten Mal in Kooperation mit dem Center for Research in Financial Communication der Universität Leipzig und der Fachhochschule St. Pölten durchgeführt. Die multimethodische Studie basiert auf einer quantitativen Befragung von Verantwortlichen der Unternehmensberichterstattung börsennotierter Unternehmen in Deutschland, der Schweiz und Österreich sowie Dienstleistern in diesem Bereich, ergänzt durch qualitative Interviews, die Best Practices aufzeigen und den Fokus auf Trends in der Berichterstattung legen.

Die digitale Berichterstattung hält an PDFs fest, während gleichzeitig das neue XBRL-Format eingeführt wird.

Die diesjährige Umfrage zeigt, wie die Unternehmensberichterstattung dazu beitragen kann, das Vertrauen in Unternehmen und ihre Führung in Zeiten von Turbulenzen und Unsicherheit zu stärken. Mehr als 90 % der Befragten gaben an, dass die Instrumente der Online-Kommunikation (soziale Medien und die Unternehmenswebsite) in Zeiten der Unsicherheit immer wichtiger werden. Dies wirft die Frage auf, wie die Unternehmen die Digitalisierung ihrer Unternehmensberichterstattung angehen. Überraschenderweise zeigen die Umfrageergebnisse, dass die gedruckten Berichte zwar immer mehr an Bedeutung verlieren, aber immer mehr Unternehmen eine "PDF first"-Strategie verfolgen (Abb. 1). Nur 16 % haben einen "Online first"-Ansatz für die Berichterstattung umgesetzt. Damit scheint die Umstellung auf eine webbasierte Unternehmensberichterstattung kaum voranzukommen.

Abb. 1: Reporting-Formate

Ein möglicher Grund für die stockende Umsetzung der Online-Berichterstattung könnten die stagnierenden budgetären Ressourcen der Unternehmen sein, die Erhebung 2021 offenlegt.   Mehr als die Hälfte der befragten Expertinnen und Experten (59%) erwartet in den nächsten drei Jahren keine steigenden externen Budgets für die Berichterstattung.

Gleichzeitig hat jedoch, getrieben durch die Regulierung, eine Mehrheit von 71 % der befragten Unternehmen ein aus Unternehmenssicht neues digitales Berichtsformat implementiert oder plant dies zu tun: XBRL-Berichte, wie sie Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie (2013/50/EU) vorschreibt. In der Schweiz, wo XBRL rechtlich (noch) nicht verpflichtend vorgesehen ist, haben nur 8 % bereits XBRL-Berichte implementiert, 20 % planen dies zu tun. Insgesamt haben sich die meisten Unternehmen (33 %) für eine integrierte Lösung zur Erstellung ihres XBRL-Berichts entschieden, 15 % haben sich für eine "Bolt-on"-Lösung entschieden (Abb. 2). Von den Unternehmen, die von den ESEF-Anforderungen betroffen sind, ist eine klare Mehrheit von 76 % mit der gewählten Lösung einigermaßen oder sehr zufrieden, wobei es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen denjenigen gibt, die sich für eine "Built-in-" oder eine "Bolt-on-Lösung" entschieden haben.

Abb. 2: Ansätze des XBRL-Reporting

Im Vergleich zum vorherigen Jahr war 2021 ein steigender Optimismus in Bezug auf XBRL erkennbar. Interessanterweise erwartet eine Mehrheit der befragten Expertinnen und Experten (67 %), dass XBRL-Berichte innerhalb von drei Jahren das am häufigsten verwendete Format unter Kapitalmarktteilnehmern sein werden. Diese Einschätzung der zunehmenden Relevanz von XBRL zeigt sich auch darin, dass fast die Hälfte davon ausgeht, dass XBRL bald auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung ausgeweitet werden wird. Es bleibt abzuwarten, ob die Akzeptanz von XBRL-Berichten dazu führen wird, dass sich die Berichterstattungspraxis endlich von der "PDF first"-Mentalität löst.

Die zweite wichtige Komponente bei der Frage, wie die Unternehmensberichterstattung in unsicheren Zeiten das Vertrauen fördern kann, dreht sich um die Nachhaltigkeit: Bereits in diesem Jahr hat sich die Erläuterung der Nachhaltigkeit der Unternehmensleistung im Corporate Reporting Monitor als drittwichtigstes Berichtsziel herauskristallisiert. Fast 100 % der Teilnehmenden sind der Meinung, dass die Umwelt- und Sozialberichterstattung ein wichtiges Instrument ist, um das Vertrauen der Stakeholder zu gewinnen. Die diesjährige Studie zeigt auch einige hoffnungsvolle Anzeichen für die lang erwartete Standardisierung der ESG-Berichterstattung. Eine Dreiviertelmehrheit betrachtet GRI inzwischen als den Standard der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die Experten erwarten mit überwältigender Mehrheit eine weitere Standardisierung innerhalb der nächsten drei Jahre.

Ein vieldiskutierter Ansatz scheint von dieser Entwicklung jedoch nicht zu profitieren: die integrierte Berichterstattung. Ein rekordverdächtig niedriger Anteil von 10 % der befragten Unternehmen gibt an, dass sie im Jahr 2022 einen integrierten Bericht veröffentlichen wollen. Stattdessen plant eine relative Mehrheit von 44 %, einen kombinierten Bericht zu veröffentlichen, der sowohl Finanz- als auch Nachhaltigkeitsdaten enthält – ohne dem vom Integrated Reporting Framework vorgeschriebenen Modell zu folgen. Fast 90 % der Experten sind sich einig, dass der Unternehmensbericht in differenzierten Formaten für unterschiedliche Stakeholder-Zielgruppen vorgelegt werden sollte.

Der Corporate Reporting Monitor zeigt, dass das "desintegrierte" Modell der Nachhaltigkeitsberichterstattung die Gefahr birgt, dass die Erläuterung der Auswirkungen von E, S und G auf das Finanzergebnis vernachlässigt wird. Während die befragten Verantwortlichen für die Berichterstattung die Nachhaltigkeitskommunikation für immer wichtiger halten, insbesondere in Zeiten der Unsicherheit, wurde die Erläuterung des Geschäftsmodells des Unternehmens als etwas weniger wichtig eingestuft als im Jahr 2020. Frühere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die Finanzwelt ESG-Daten am ehesten Beachtung schenkt, wenn ihre Auswirkungen auf die finanzielle Leistung offensichtlich sind.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass fast die Hälfte der Befragten eine zunehmende Unsicherheit in ihrem Stakeholder-Umfeld wahrnimmt, die hauptsächlich durch regulatorische und technologische Veränderungen bedingt ist (94 % bzw. 92 % Zustimmung). Digitale Kommunikation und ein Fokus auf Nachhaltigkeit werden als vielversprechende Ansätze gesehen, um das Vertrauen der Stakeholder zu stärken. Allerdings bleiben einige Unstimmigkeiten bestehen. Während die Digitalisierung und damit Transparenz und Vergleichbarkeit durch die gesetzlich verpflichtende Erstellung von XBRL-Berichten vorangetrieben wird, verharren die Berichtsstrategien in einer "PDF first"-Mentalität. Während die Nachhaltigkeitsberichterstattung durch eine zunehmende Standardisierung gestärkt wird und bei den Verantwortlichen für das Berichtswesen eindeutig hohe Aufmerksamkeit genießt, verliert die integrierte Berichterstattung an Boden, und die Auswirkungen von ESG auf die Geschäftsmodelle werden möglicherweise vernachlässigt.

Der Corporate Reporting Monitor 2021 zeigt einmal mehr, dass zwei Drittel der befragten Unternehmen noch keine formale Berichtsstrategie entwickelt haben. Die Praxis der Berichtsevaluation ist nach wie vor unterentwickelt. Um kritische Herausforderungen wie die Digitalisierung und die Nachhaltigkeitsberichterstattung erfolgreich zu meistern, könnte ein strategischerer Ansatz der Unternehmensberichterstattung hilfreich sein.


Mit dem Corporate Reporting Monitor lanciert das CCR die erste wiederkehrende internationale Studie rund um die Unternehmensberichterstattung. Die Studie ist als Kompass für strategische Entwicklungen, Trends und als Benchmark konzipiert. Sie wird in Zusammenarbeit mit dem Center for Research in Financial Communication an der Universität Leipzig durchgeführt. Die breit angelegte Umfrage, kombiniert mit vertiefenden Interviews, liefert relevante und praxisnahe Ergebnisse.

CCR-Mitglieder erhalten zusätzlich zu den Studienergebnissen praxisnahe Handlungsempfehlungen und Zugang zu individuell abgestimmten Workshops mit Experten. Ein Executive Summary für Verwaltungsräte und C-Level-Entscheidungsträger ist auf Anfrage erhältlich.


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Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann

ist Professor für Kommunikationsmanagement am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. 

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Lea Knabben

ist Doktorandin und Research Assistentin am Center for Research in Financial Communication der Universität Leipzig. Unterstützt wird Lea Knabben durch ein Stipendium des CCR.

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FH-Prof. Mag. Monika Kovarova-Simecek

leitet den Master-Studiengang Wirtschafts- und Finanzkommunikation am Department Digital Business & Innovation der FH St. Pölten. Sie ist Initiatorin des Symposiums Financial Communications und forscht u.a. zu digitaler Finanzkommunikation und Reporting.

Thomas Scheiwiller

ist Vorsitzender des Beirats und unterstützt das Center for Corporate Reporting (CCR) projektbezogen und in strategischen Belangen.